Geheime Melodie
richtet den Blick beinahe beschwörend auf Haj, dann senkt er das Gesicht zwischen seine langen, dünnen Hände und läßt es dort, und für den Bruchteil einer Sekunde tauche ich zu ihm in sein Dunkel. Hat Haj ihn herumgekriegt? Und wenn ja, hat er mich herumgekriegt? Jetzt hebt Dieudonn é den Kopf. Sein Ausdruck ist entschlossen, aber in welchem Sinne entschlossen, darüber läßt sich nur spekulieren. Den Blick in die Ferne gerichtet, beginnt er laut zu denken, in kurzen, apodiktischen Sätzen.
»Kinshasa bietet uns an, uns in seine Armee einzugliedern. Aber nur, um unsere Kräfte zu binden. Man ködert uns mit Alibi-Posten, die uns die Illusion von Macht vermitteln sollen. Aber de facto sind sie wertlos. Wenn es zu Wahlen kommt, wird man die Grenzen so ziehen, daß wir im Parlament keine Stimme haben. Wenn wir niedergemetzelt werden, wird Kinshasa keinen Finger zu unserem Schutz rühren. Aber die Ruander werden uns zu Hilfe kommen. Und das wird eine neuerliche Katastrophe für den Kongo.« Zwischen den gespreizten Fingern hervor zieht er sein Fazit: »Mein Volk kann es sich nicht leisten, diese Gelegenheit nicht zu nutzen. Wir werden für den Mwangaza kämpfen.«
Haj starrt ihn an, st ößt dann ein mädchenhaftes kleines Lachen aus. Maxie klopft mit der Spitze des Queues auf die Vorberge südwestlich von Bukavu.
»Und diese prächtige kleine Mine hier gehört Ihnen, Haj. Ist das korrekt? Ihnen und Luc?«
»Auf dem Papier«, konzidiert Haj mit aufreizendem Achselzucken.
»Gut, wenn sie nicht Ihnen gehört, wem dann?« – der Ton scherzhaft, aber unterlegt mit einer Aggression, die ich nicht abzumildern versuche.
»Unsere Firma läßt sie von einem Subunternehmer betreiben.«
»Nämlich wem?«
»Geschäftsfreunden meines Vaters«, gibt Haj zurück, und ich frage mich, wer außer mir alles den aufsässigen Unterton in seiner Stimme hört.
»Ruandern?«
»Ruandern, die den Kongo lieben. So was soll’s geben.«
»Und die Ihrem Vater gegenüber loyal sind, nehme ich doch an?«
»Unter vielerlei Umständen, ja. Unter manchen vielleicht eher sich selbst gegenüber, was nur normal ist.«
»Wenn wir die Produktion verdreifachen und sie beteiligen würden, wären sie dann uns gegenüber loyal?«
»Uns?«
»Dem Syndikat. Angenommen, sie wären gut bewaffnet und gegen Angriffe gerüstet? Ihr Vater hat gesagt, sie würden für uns kämpfen bis zum letzten Mann.«
»Wenn mein Vater das gesagt hat, dann wird es auch so sein.«
Erbittert f ährt Maxie zu Philip herum. »Ich denke, das ist alles längst abgemacht!«
»Aber selbstredend ist es abgemacht«, versichert Philip begütigend. »Die Sache ist in trocknen Tüchern. Luc hat sich schon vor einer Ewigkeit dazu verpflichtet.«
Da der Wortwechsel englisch und privater Natur ist, übersetze ich ihn nicht mit, was Haj nicht davon abhält, debil zu feixen und mit dem Kopf zu wackeln, wofür er angeekelte Blicke von Tabizi erntet.
»Drei Anführer, drei unabhängige Enklaven.« Maxie appelliert wieder an die Versammlung im Ganzen. »Je de mit eigener Landebahn, voll in Gebrauch, teilweise in Gebrauch oder gar nicht. Das hei ßt, jede kann aus der Luft versorgt werden, mit schweren Maschinen von Bukavu aus. Das ganze Problem von Erschließung, Abbau und Transport auf einen Schlag gelöst. Unauffindbar und – ohne feindliche Luftangriffe – uneinnehmbar.«
Feindliche Luftangriffe? Und wer soll der Feind genau sein? Fragt sich Haj das, oder frage ich es?
»Ist schließlich nicht bei jeder militärischen Operation so, daß man die Leute aus dem Boden bezahlen kann, auf dem man seine Zelte aufschlägt«, insistiert Maxie im Ton eines Menschen, der Einwände zu entkräften sucht. »Und das auch noch zum besten seines Landes. Streichen Sie das noch mal heraus, alter Junge. Diesen ganzen Schmonzes mit dem Gemeinwohl. Daß die Milizen mit den benachbarten Stammesführern zusammenarbeiten und die Stammesführer alle ihren Reibach machen, was aber völlig legitim ist, solange sie schön brav mit ihren Sippen oder Stämmen teilen. Gibt keinerlei Grund, warum die Stützpunkte nicht im Lauf der Zeit zu richtigen kleinen Gemeinden werden sollten. Mit Schulen, Läden, Gesundheitsversorgung, dem ganzen Drum und Dran.«
Aller Augen richten sich indessen auf die SpielzeugVerkehrsmaschine, die Anton auf Francos DschungelSt ützpunkt landen läßt. Eine Antonow-12, erklärt Maxie. Mit einer Fracht von Baggern, Lastern, Gabelstaplern und Ingenieuren. Die Landebahn reicht
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