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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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hatte auf ein wenig weibliche Anteilnahme gehofft, aber alles, was durch den Kopfh örer zu mir dringt, sind plaudernde Männerstimmen im Hintergrund. Nicht mal ihr Mikro hat sie abgeschaltet, was ich als reichlich fahrlässig empfinde. Ich schaue auf Tante Imeldas Uhr. Die Pause wird offenbar überzogen. Hajs lückenhafter Bericht über Lucs Flirt mit einem Konkurrenzunternehmen, das von einem zigarrenrauchenden holländischen Fettsack geleitet wird, scheint alles gründlich durcheinandergewirbelt zu haben. Geschieht ihm recht, was nennt er mich auch Zebra. Spider ist immer noch nicht wieder aufgetaucht. Es gibt zu vieles an den Örtlichkeiten hier, über das man mich im dunkeln läßt. Wo das Lagezentrum ist, zum Beispiel. Oder von wo aus Antons Überwachungsteam agiert. Wo Jasper sich herumdrückt. Wo Benny ist. Aber wozu sollte man mich denn auch aufklären? Ich bin ja nur der Dolmetscher. Alle müssen im Bilde sein, nur ich nicht.
    Ich werfe einen Blick auf den U-Bahn-Plan. Haj und Dieudonn é haben sich getrennt. Armer Dieudonné, ganz allein in der Gästesuite. Auf ein rasches Gebet im Zweifelsfall. Haj hat sich in den Pavillon zurückverfügt, den Schauplatz seines vermeintlichen Triumphs. Wenn er nur wüßte! Ich sehe ihn vor mir, wie er da steht und aufs Meer hinausglupscht, hochzufrieden mit sich, da ß er dem Mwangaza einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Francos Lämpchen leuchtet nicht. Immer noch am Kungeln mit dem Mwangaza vermutlich. Tabu. Nur fürs Archiv.
    Ich brauche Ger äusche. Ich mag diese anklagenden Stimmen nicht, die sich in meinem Kopf erheben, allen voran Hannahs Stimme. Ich muß mir hier keine Kritik gefallen lassen. Ich habe mein Bestes getan, um meine Auftraggeber zufriedenzustellen. Was hätte ich denn machen sollen? So tun, als hätte ich Haj nicht verstanden? Es einfach alles unterschlagen? Ich habe einen Auftrag, und ich werde dafür bezahlt. In bar. Selbst wenn es ein Hungerlohn ist im Vergleich zu dem, was Jasper bekommt. Ich bin Dolmetscher. Die Leute reden, ich übersetze. Ich höre nicht auf zu übersetzen, wenn sie das Falsche sagen. Ich zensiere nicht, ich redigiere, falsifiziere und fabriziere nicht, wie so einige meiner Kollegen es tun. Ich übersetze eins zu eins. Nur deshalb bin ich ja Mr. Andersons Liebling. Nur deshalb bin ich ein Genie auf meinem Gebiet. Ob Wirtschaft oder Recht, zivil oder militärisch: Ich übersetze alle gleichwertig und unparteiisch, ohne Ansehen von Farbe, Rasse oder Religion. Ich bin die Brücke, Amen und Ende.
    Ich versuche es wieder bei Sam. Immer noch nicht am Platz. Das Hintergrundgemurmel im Lagezentrum ist verstummt. Statt dessen h öre ich dank Sams Nachlässigkeit Philip. Er spricht so deutlich, daß ich mithören kann, was er sagt. Mit wem er redet, ist unklar, und seine Stimme hallt von mindestens einer Wand wider,
    aber das tut nichts. Meine Sinne sind noch so in Aufruhr von dem Duell mit Haj, da ß eine Fliege nur in meinen Kopfhörer zu husten brauchte, und ich wüßte ihr Alter und Geschlecht. Allerdings hat seine Stimme so wenig gemein mit der Hochglanzversion, die ich bisher kannte, daß ich die ersten Sekunden fast an meiner Wahrnehmung zweifle. Er spricht mit Mark, und nach Philips herrischem Ton zu schließen, ist Mark ein Untergebener.
    Philip: Ich will wissen, wer sein Arzt ist, wie die Diagnose lautet, welche Behandlung der Patient bekommt, wenn überhaupt, wann mit seiner Entlassung zu rechnen ist, wenn überhaupt, wen er an seinem Krankenbett empfängt und wer außer seinen Ehefrauen, Geliebten und Leibwächtern noch bei ihm ist … Nein, ich weiß nicht, in welchem Scheißkrankenhaus er liegt, Mark, das ist dein Job, dafür wirst du bezahlt, du bist unser Mann vor Ort. Verdammt, wie viele Herzzentren gibt es in Kapstadt denn schon, Himmelherrgott?
    Ende des Gespr ächs. Top-Berater haben Wichtigeres zu tun, als sich zu verabschieden. Philip muß jetzt Pat sprechen. Er hat die nächste Nummer gewählt, und als die Verbindung da ist, fragt er nach Pat.
    Philip: Name ist Marius, Holl änder, dick, um die Vierzig, raucht Zigarren. Er war vor kurzem in Nairobi, und soweit ich weiß, ist er immer noch dort. Er hat in Paris Volkswirtschaft studiert, und er vertritt un sere alten Freunde von der Union Mini ère des Grands Lacs. Was ist der Mann sonst noch? (Neunzig Sekunden, während derer nur ein gelegentliches Hm signalisiert, daß Philip zuhört und sich Notizen macht, so wie ich auch. Schließlich:) Tausend Dank, Pat.

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