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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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launischen, wortkargen Mutter, die ich kannte.
    Sie erwartete mich an der Tür. Stand unbeweglich da, als sie mich erblickte. »Ich dachte schon, du hättest mich vergessen.«
    »Tut mir leid, Mutter«, sagte ich. »Ich musste erst meine Arbeit beenden.«
    »Ich hoffe, du hattest Zeit, heute Morgen in die Kirche zu gehen.«
    »Ja, Mutter. Die Dienstboten gehen immer zum Gottesdienst in die Kirche von Riverton.«
    »Das weiß ich, meine Kleine. Ich habe in dieser Kirche am Gottesdienst teilgenommen, lange bevor du auf der Welt warst.« Mit einer Bewegung ihres Kinns deutete sie auf meine Hände. »Was hast du da mitgebracht?«
    Ich reichte ihr das Päckchen. »Von Mrs Townsend. Sie hat sich nach dir erkundigt.«
    Meine Mutter öffnete das Päckchen vorsichtig an einer Ecke und biss sich auf die Innenseite ihrer Wange. »Davon krieg ich bestimmt heute Nacht Sodbrennen.« Sie deckte den Kuchen wieder zu und knurrte: »Trotzdem. Nett von ihr.« Sie trat zur Seite und drückte die
Tür auf. »Komm rein. Du kannst mir eine Kanne Tee aufsetzen und mir erzählen, was du erlebt hast.«
    Ich erinnere mich nicht mehr so recht, worüber wir redeten, denn an jenem Nachmittag war ich keine aufmerksame Gesprächspartnerin. Meine Gedanken waren nicht bei meiner Mutter und ihrer winzigen, freudlosen Küche, sondern im Ballsaal auf dem Hügel, wo ich am Vormittag Nancy dabei geholfen hatte, Stühle in Reihen aufzustellen und goldene Vorhänge vor der Bühne anzubringen.
    Während meine Mutter mich alle möglichen Arbeiten verrichten ließ, behielt ich die Zeiger der Küchenuhr im Auge, die unbeirrbar auf fünf Uhr zumarschierten, die Stunde des Theaterstücks.
    Als wir uns schließlich verabschiedeten, war ich spät dran. Bis ich das Tor von Riverton erreichte, stand die Sonne schon tief am Horizont. Ich ging den schmalen, gewundenen Weg entlang zum Haus hinauf. Prächtige, von Lord Ashburys Vorfahren vor langer Zeit gepflanzte Bäume säumten ihn zu beiden Seiten, bildeten mit ihren ausladenden Kronen und ineinander verwobenen Ästen ein Blätterdach, sodass der Weg mir wie ein dunkler, raschelnder Tunnel erschien.
    Als ich an jenem Nachmittag ins Licht hinaustrat, war die Sonne gerade hinter dem Dach verschwunden und ließ das Haus orangerot und malvenfarben erstrahlen. Ich durchquerte den Park, eilte vorbei am Springbrunnen mit den Statuen von Eros und Psyche, weiter durch Lady Violets Rosengarten und betrat schließlich das Haus durch den Hintereingang. Die Dienstbotenräume waren leer, und meine Schritte hallten von den Wänden wider, als ich Mr Hamiltons goldene Regel verletzte und den mit Steinplatten gefliesten Flur entlangrannte. Ich lief durch die Küche, vorbei an Mrs Townsends mit Fleischpasteten
und Kuchen beladener Anrichte und die Treppe hinauf.
    Im Haus herrschte eine gespenstische Stille, alle warteten gespannt auf die Theateraufführung. Vor der Tür des güldenen Ballsaals ordnete ich meine Haare, glättete meinen Rock, schlüpfte in den verdunkelten Raum und nahm meinen Platz an der Seitenwand zwischen den anderen Bediensteten ein.

Das Theaterstück
    I ch hatte nicht damit gerechnet, dass es so dunkel sein würde. Es war die erste Theateraufführung, der ich je beigewohnt hatte, bis auf ein Stück im Kasperltheater, das ich einmal gesehen hatte, als meine Mutter mich nach Brighton mitgenommen hatte, um ihre Schwester Dee zu besuchen. Die Fenster waren mit schwarzen Vorhängen verdunkelt worden, und das einzige Licht im Raum kam aus vier Scheinwerfern, die man extra vom Dachboden geholt hatte. Sie waren vor der Bühne aufgereiht, wo sie gelbes Licht nach oben verströmten und die Darsteller mit einem geisterhaften Schimmer umhüllten.
    Fanny stand gerade auf der Bühne und trällerte wimpernklimpernd die letzten Akkorde von »The Wedding Glide«. Sie verfehlte das abschließende G mit einem durchdringenden F, und das Publikum applaudierte höflich. Fanny lächelte und knickste gespielt schüchtern. Leider erzielte ihre Koketterie wegen des unruhigen Vorhangs hinter ihr, der von Ellbogen und Kulissenteilen, die für den nächsten Akt bereitstanden, seltsam ausgebeult wurde, nicht ganz die gewünschte Wirkung.
    Als Fanny nach rechts abging, betraten Emmeline und David – beide in eine Toga gehüllt – die Bühne von links. Sie hatten drei lange Holzlatten und ein Laken mitgebracht, woraus sie mit wenigen Handgriffen ein brauchbares,
wenn auch windschiefes Zelt bauten. Sie knieten sich in das Zelt und verharrten

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