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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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überreden lassen.
    Mr Hamilton führte die beiden in den Salon, wo sie von Lord und Lady Ashbury erwartet wurden, und meldete mit schwungvoller Gebärde ihre Ankunft. Als ich sie durch die Tür gehen sah – zuerst Lady Clementine, dicht gefolgt von Fanny –, musste ich an Mr Hamiltons Tablett mit Cocktailgläsern denken, auf dem Cognacschwenker und Champagnerflöten um ihren Platz wetteiferten.
    Mr Hamilton kehrte zurück in die Eingangshalle und rückte sich gerade die Manschetten zurecht – eine seiner typischen Angewohnheiten –, als der Major und dessen Frau eintrafen. Sie war eine kleine, rundliche, braunhaarige Frau mit einem freundlichen, von Kummer gezeichneten Gesicht. Das kann ich natürlich nur im Rückblick sagen, aber schon damals gewann ich den Eindruck, dass sie zum Opfer irgendeines Unglücks geworden war. Nancy mochte nicht bereit gewesen sein, mich in das Geheimnis um die Kinder des Majors einzuweihen, aber meine jugendliche Fantasie, gut genährt durch Schauerromane, war eine stetig sprudelnde Quelle. Außerdem wusste ich damals noch nichts über die Feinheiten der Anziehungskraft zwischen einem Mann und einer Frau, und ich sagte mir, dass nur eine Tragödie die Erklärung dafür sein konnte, dass ein so großer, gut aussehender Mann wie der Major mit einer so unscheinbaren Frau
verheiratet war. Ich nahm an, dass sie einmal sehr hübsch gewesen sein musste, bis ein Schicksalsschlag ihr alles genommen hatte, was sie an Jugend und Schönheit besessen hatte.
    Der Major, der noch ernster und kantiger wirkte, als sein Porträt erahnen ließ, erkundigte sich wie üblich nach Mr Hamiltons Gesundheit, ließ einen von Besitzerstolz erfüllten Blick durch die Eingangshalle schweifen und führte Jemima in den Salon. Als sie durch die Tür gingen, sah ich, dass seine Hand zärtlich auf ihrem Rücken lag, eine Geste, die seine harte äußere Erscheinung irgendwie Lügen strafte und die ich nie wieder vergessen habe.
    Meine Beine waren vom Hocken schon ganz steif, als endlich Mr Fredericks Automobil knirschend über den Kies in der Einfahrt gefahren kam. Nachdem er einen missbilligenden Blick auf die Uhr in der Eingangshalle geworfen hatte, öffnete Mr Hamilton die Tür.
    Mr Frederick war kleiner, als ich erwartet hatte, nicht annähernd so hochgewachsen wie sein Bruder, und alles, was ich von seinem Gesicht sehen konnte, war seine Brille, denn selbst als er den Hut abnahm, schaute er nicht auf, sondern fuhr sich nur mit einer Hand über den Kopf, um sein blondes Haar zu glätten.
    Erst als Mr Hamilton die Tür zum Salon für ihn aufhielt und seine Ankunft ankündigte, wurde Mr Frederick aus seiner Versunkenheit gerissen. Sein Blick wanderte flüchtig durch den Raum, über den Marmor, die Porträts, die vertraute Umgebung seiner Jugend, bis er schließlich an der Stelle haften blieb, wo ich auf der Galerie hockte. Und in diesem kurzen Moment, bevor er von dem von Geräuschen erfüllten Salon verschluckt wurde, erbleichte er, als hätte er einen Geist gesehen.

    Die Woche verging wie im Flug. Bei so vielen zusätzlichen Personen im Haus war ich den ganzen Tag damit beschäftigt, Zimmer aufzuräumen, Teetabletts herumzutragen, Tische zu decken. Ich war’s zufrieden, denn ich schreckte nicht vor harter Arbeit zurück – dafür hatte meine Mutter schon rechtzeitig gesorgt. Außerdem wartete ich sehnsüchtig auf das Wochenende und auf das alljährliche Theaterstück. Während die anderen Bediensteten sich auf die Vorbereitungen für das Mittsommerdinner konzentrierten, konnte ich an nichts anderes als das Theaterstück denken. Seit die Erwachsenen eingetroffen waren, hatte ich die Kinder kaum noch gesehen. Der Nebel löste sich ebenso schnell auf, wie er heraufgezogen war, und der klare, blaue Himmel war viel zu schön, um die Zeit im Haus zu vergeuden. Jeden Tag, wenn ich am Kinderzimmer vorbeikam, hielt ich gespannt den Atem an, aber das sommerliche Wetter hielt sich, und in jenem Jahr sollten die Kinder das Zimmer nicht wieder aufsuchen. Sie nahmen ihren Lärm und ihren Unfug und ihr SPIEL mit nach draußen.
    Und mit ihnen verschwand der Zauber des Zimmers. Stille verwandelte sich in Leere, und die kleine Flamme des Vergnügens, der ich immer wieder Nahrung gegeben hatte, verlosch. Ich verrichtete hastig meine Arbeit, ordnete die Bücher in den Regalen, ohne auch nur einen flüchtigen Blick auf ihren Inhalt zu werfen, bemerkte nicht länger die Augen des Schaukelpferds, stellte mir vor, was die drei wohl

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