Geheime Versuchung
rauen Härchen, und sie wollte sich gerade der schönsten Art des Aufwachens hingeben, als es an der Kommunikationseinheit läutete.
Stöhnend richtete sie sich auf. »Ich muss rangehen.« Sie war die Heilerin der Wölfe und nahm jeden Anruf entgegen.
Walker streckte schon die Hand zum Touchscreen aus. »Es ist aber kein Notruf.«
»Das heißt gar nichts. Es gibt Jugendliche, die sich das Bein brechen und dann nicht den Notruf wählen, weil sie den Schmerz aushalten können.« Sie legte sich auf den Rücken und versuchte ihre Enttäuschung zu überwinden. Walker drückte den Audiokanal und meldete sich: »Ja, bitte?«
Überraschtes Schweigen, dann die zögerliche Stimme einer Jugendlichen. »Emm … kann ich Lara sprechen?«
Lara wusste sofort, wer es war, und setzte sich auf. »Silvia?« Das Mädchen gehörte zu den stabilen Jugendlichen im Rudel, sie würde nicht anrufen, wenn es nicht wichtig wäre. »Was ist passiert?«
»Ich bin gerade mit einem der Evakuierungstransporte zurückgekommen.«
Die Wölfin in Lara stimmte ein Freudengeheul an, denn immer mehr Junge kehrten aus den gefahrlosen Gebieten, wo sie während der Kämpfe untergebracht waren, in die Höhle zurück. »Weiter«, ermutigte sie das Mädchen, als diese zögerte.
»Ich weiß, dass ihr erschöpft seid.« In jeder Silbe lag eine Entschuldigung. »Doch das Junge, für das ich zuständig bin, weint ununterbrochen, weil Vater und Mutter nicht da sind. Ich hätte auch im Kindergarten anrufen können, aber ich weiß ja, wie sehr Mason dich mag …«
»Bin gleich da.« Lara war schon aufgestanden und zog eine Jeans über, Walker tat es ihr gleich. »Sag Mason, dass es seinen Eltern gut geht. Ihr seid ein wenig zu früh zurück, seine Eltern sind noch an der Grenze.«
Als sie sich umdrehte, hielt Walker ein Handy hoch. »Ich rufe die beiden an.«
Heute Nacht würde sie sich der schönen Brust widmen, nahm Lara sich vor und warf ihm eine Kusshand zu. Dann begab sie sich zu den Neuankömmlingen.
»Lara!«, wimmerte Mason und hing sofort an ihrem Hals wie ein kleiner Affe.
»Schon gut, mein Kleiner.« Sie drückte ihn und hielt ihn dann ein wenig von sich weg, um ihm in die Augen sehen zu können. Im Gegensatz zu Silvia war sie eine Erwachsene, und die Rollen waren klar definiert – Masons Wolf war sofort aufmerksam, auch wenn seine Augen noch in Tränen schwammen. »Deine Eltern sind auf dem Weg«, sagte Lara, denn sie war sicher, dass Walker dafür sorgen würde. »Es geht ihnen gut.«
Seine Unterlippe zitterte. »Kommen sie her?«
»Ja, und sie freuen sich auf dich.« Sie küsste die feuchte Wange und flüsterte verschwörerisch: »Dein Bus ist unglaublich früh hier gewesen, damit hatten sie nicht gerechnet. Hattet ihr Flügel?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Nein … ich hab keine gesehen.«
»Sollen wir mal nachschauen?«
Zu dritt liefen sie um das gepanzerte Fahrzeug herum, und Mason inspizierte jeden Winkel auf Flügel, bis zwei Erwachsene außer Atem auf der Lichtung erschienen. »Mason!«
»Mami! Papi!«
Lara lächelte, als das Junge in Wolfsgestalt gleich auf zwei Armpaare sprang. Dann zog sie Silvia an sich. »Hast du gut gemacht, Süße.« Das Mädchen hatte ihren Verstand benutzt und nicht einmal aufgegeben, als unerwartet ein Mann am anderen Ende der Leitung war.
In dem dunkelbraunen Gesicht leuchtete ein erleichtertes Lächeln auf. »Tut mir leid, dass ich dich und Walker gestört habe.«
»Woher weißt du, dass es Walker war?«
Das Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen, und Silvia tippte sich auf die Nase. »Ich bin eine Wölfin.« Sie zögerte kurz. »Und ich habe vor einer ganzen Weile gesehen, wie ihr euch heimlich geküsst habt.«
Dann lief die Jugendliche lachend davon, und Laras Wölfin wandte sich dem Duft von dunklem Wasser zu, in dem tausend Geheimnisse verborgen waren.
»Ich werde kein einfacher Gefährte sein.«
Und obwohl sie wusste, wie stark ihre Liebe war, und dass sie nie und nimmer schwach werden oder gar zerbrechen würde, tat ihr das Herz weh, als sie sich fragte, ob er seine Geheimnisse eines Tages mit ihr teilen würde … oder ob ein Teil von ihm ihr für immer verschlossen blieb.
2
Nach der Rückkehr in ihre Wohnung sah Lara Walker unsicher an, denn es bedrückte sie, dass sie vielleicht nie genau erfahren würde, was in dem Mann vorging, der sie tiefer berührte, als es je ein anderer getan hatte oder jemals tun würde. »Ich könnte hier duschen«, sagte sie zögernd, »und dich dann
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