Geheime Versuchung
zu eurer Familie.«
»Juchhu!!« Marlee tanzte davon, nahm Tobys Hände und ließ sich von ihrem Cousin herumwirbeln. »Schneller, Toby!« Sie quietschte, als ihr Haar flog und sie den Boden unter den Füßen verlor. »Lass mich bloß nicht fallen.«
Toby lachte wie ein netter älterer Bruder – und das war er im Grunde auch, trotz des anderen Verwandtschaftsgrads. Er packte sie fester. »Soll ich aufhören?«
»Nein. Schneller!«
Lara musste auch lachen, sie sah Walker an, auf dessen Zügen ein Schatten lag. Schnell ergriff sie seine Hand und strich ihm über das frisch rasierte Kinn. »Der Rat kann ihnen nie wieder das Recht nehmen, glücklich zu sein.«
Ihr Gefährte sagte nichts. Doch sie liebte ihn und merkte, wie sehr ihn das Gesagte berührte, in der Art, wie er sie in den Arm nahm.
Am nächsten Tag schien sich seine Stimmung aufgehellt zu haben. Als er sie abends verließ, um eine Wache an der Grenze zu übernehmen, sagte er: »Du verwöhnst sie.« Eine Hand an ihrer Wange, die Lippen an ihrem Ohr.
»Ich weiß«, gab sie zu, stellte Schokoladenkekse und Milch auf ein Tablett für die Kinder, die im Wohnzimmer vor dem Bildschirm auf dem Boden saßen und fasziniert ein Quiz verfolgten.
Sie spielte mit seinen Hemdknöpfen. »Ist doch in Ordnung, oder etwa nicht? Nur ein paar Tage noch.«
Sie hatte sich schon oft um Junge gekümmert, meist aber nur kurze Zeit, da hatte es keine Rolle gespielt. »Nach allem, was passiert ist, können sie ein wenig Bemutterung gut gebrauchen.«
Walker hätte gerne das entschuldigende Lächeln weggeküsst … dann wurde ihm klar, dass er es tun konnte. Wo und wann immer es ihm passte. Sie hatte ihm das Recht zugestanden. »Dann muss ich wohl der Gestrenge sein«, murmelte er, als ihre Herzen aus dem Takt geraten waren.
Sie sah ihn böse an, strich aber besitzergreifend über seine Brust. »Ich kann auch streng sein. Frag nur die Jugendlichen.«
Seine Gefährtin war mutig. Er war so stolz auf ihre Kraft und Zielstrebigkeit. Doch sie war auch unglaublich freundlich, vergab schneller als andere und würde sich die Hand abhacken, um einen anderen zu retten. Zweifellos verwöhnte sie die Kinder sehr … aber das taten Mütter nun einmal. Sollten sie jedenfalls. Und er würde sie nicht davon abhalten.
Denn selbst die quirlige, ewig schnatternde Marlee hatte eine schon sehr erwachsene Seite, die er ihr lieber erspart hätte. Seine Tochter hatte Bitteres in einem Alter erfahren, in dem der Geist noch unschuldig und unverletzt sein sollte. Doch der Stich ins Herz war gerade von der Person gekommen, die sie eigentlich mehr als alle anderen hätte schützen sollen.
Nie würde er Yelene den Blick vergeben, mit dem seine Kleine ihn in den schrecklichen Tagen nach ihrer Abkehr vom Medialnet gefragt hatte:
Wollte Mutter nicht mit uns kommen?
Zum ersten Mal hatte er sein Kind belogen, hatte ihr gesagt, dass es Yelene nicht rechtzeitig herausgeschafft habe. Er brachte es nicht übers Herz, ihr die brutale Wahrheit zu sagen, dass Yelene die Tochter aus ihrem Leben gestrichen hatte, weil sie unbequem und gefährlich für sie geworden war. Doch die kleine, weise Marlee hatte ihn nur kopfschüttelnd umarmt.
Schon gut, Daddy. Ich weiß ja, dass sie uns nicht geliebt hat.
»Walker?«
Er schluckte die Erinnerung an den Zorn herunter, der ihn damals erfasst hatte, wollte damit nicht das Wunder belasten, das ihm eine Familie und eine Gefährtin geschenkt hatte. »Ich muss los, sonst komme ich zu spät.«
»Pass auf dich auf«, sagte Lara, die tief in ihn hineinschauen konnte, wo niemand sonst Zutritt hatte.
Der fuchsbraune Blick traf auf eine Verletzlichkeit in Walker, doch trotz des Unbehagens verschloss er sich nicht und blockierte das Band zwischen ihnen auch nicht mittels seiner Fähigkeiten. Denn er wollte Lara nicht so tief verletzen, das würde er bewusst niemals tun.
»Seid artig zu Lara«, rief er den Kindern zu, als sie ihn zur Tür brachte.
Sie nickten mit vollem Mund und winkten zum Abschied.
»In einer Stunde geht’s ins Bett.«
»Dad!«
»Onkel Walker!«
»In fünfundvierzig Minuten.«
Kein Widerstand regte sich. Lara verbiss sich nur mit Mühe ein Lächeln. Er zeigte mit dem Finger auf sie. »Und du gehst auch früh schlafen.« Er senkte die Stimme. »Dann habe ich keine Schuldgefühle, wenn ich dich bei meiner Rückkehr aufwecke.« Vor Lara war er kein körperbetonter Mann gewesen, er hatte gelernt, sich mit seinem Hunger nach Berührung abzufinden, die
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