Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
Terrorverdächtigen im Juni 2004 von der Straße weg, berichtet die
Chicago Tribune
. Die Zeitung fand auch den Mann, der Isse entführt hatte, und sprach mit ihm. «Ich habe ihn für die Amerikaner festgenommen», sagte Mohamed Afrah Qanyare, «die Amerikaner haben uns zu verschiedenen Dingen beauftragt und wir haben sie alle ausgeführt. Isse wehrte sich, also haben wir auf ihn geschossen, aber er überlebte.» Den Mann, der Isse an die USA verkauft hatte, beschreibt die
Chicago Tribune
als einen «narbengesichtigen Kopfgeldjäger im Maßanzug».
Nach Isses Festnahme in Mogadischu wurde er mit einem Hubschrauber auf ein Schiff vor der Küste Somalias geflogen und verhört. Das bestätigte später auch die US Navy. Von dem US -Schiff kam er ins Camp Lemonnier, sagt Clara Gutteridge.
Auch in diesem Fall war das AFRICOM -Hauptquartier in Afrika das Eintrittstor in das System der amerikanischen Geheimgefängnisse. Von Dschibuti wurde Mohammed Ali Isse nach Äthiopien gebracht, wo er in einem Gefängnis mit Elektroschocks gequält wurde.
*
Was in der Nazizeit für die Gestapo der Mercedes 260 D war – eine schwarze Limousine mit dem Ersatzrad neben der Fahrertür –, das ist in Kenia heute ein weißer Nissan-Jeep. Die Anti-Terrorismus-Polizei ATPU fährt gern mit diesen Geländelimousinen japanischer Bauart zum Einsatz. Wenn solch ein weißer Wagen vor einer Haustür steht, weiß in Kenia jeder, dass wieder jemand abgeholt wurde. Häufig werden diese Menschen nie wieder gesehen.
Am Morgen des 13 . Februar 2007 verfolgten die weißen Autos einen jungen Mann in der Hafenstadt Mombasa. Der 34 -jährige Mohammed Abdulmalik war gerade aus Somalia nach Kenia eingereist, als zehn Beamte der ATPU ihn überfielen. Die Anti-Terror-Polizisten nahmen ihn fest, fesselten ihn und brachten ihn zum Flughafen. Durch einen Schlitz unter seiner Augenbinde konnte Abdulmalik die US -Flagge auf dem Transportflugzeug erkennen, das ihn von Kenia nach Dschibuti flog – zum AFRICOM -Stützpunkt. Die weißen Männer, die ihn auf dem Flug begleiteten, zwangen ihn, eine Windel und einen Trainingsanzug anzuziehen. Das berichtete das Entführungsopfer später.
Diese Entführung geschah vier Wochen, nachdem die Bundesregierung den USA mitgeteilt hatte, dass sie keine Einwände gegen die Stationierung des US -Afrikakommandos in Deutschland habe.
Allein die Existenz der Anti-Terrorismus-Polizei löst in Kenia Angst und Schrecken aus. Nach Auskünften von Menschenrechtsgruppen steht die ATPU über dem Recht. Die 2004 gegründete Polizeieinheit wird stark von den Vereinigten Staaten unterstützt, amerikanische Anti-Terror-Agenten trainieren die Elitepolizisten in Kenia und kooperieren mit der ATPU . Aber auch Deutschland hilft dem Entführungskommando der kenianischen Regierung. Die deutsche Polizei besuchte zwischen 2010 und 2012 regelmäßig die kenianische Hauptstadt Nairobi. In 17 Lehrgängen schulte das Bundeskriminalamt ( BKA ) in drei Jahren seine afrikanischen Kollegen. Die Seminare ließ sich das BKA mehr als 200 000 Euro kosten, Titel der Lehrgänge: «Polizeiliche Einsatztaktiken» und «Terrorismusbekämpfung».
Nach der Landung in Dschibuti fand sich der 34 -jährige Mohammed Abdulmalik auf einem Gelände wieder, das er als US -Base beschreibt, und wurde in einen Container gesteckt. In den Tagen auf dem Stützpunkt wurde er von Amerikanern verhört. Ein Plakat an der Wand erklärte die «Reptilien am Horn von Afrika», auch Karten von Somalia und Dschibuti hingen dort. Auf den Wasserflaschen las er den Hinweis «Made in Dschibuti». Darum glaubt Abdulmalik heute, dass er im Camp Lemonnier festgehalten wurde, damals der einzige US -Stützpunkt in Afrika.
Nach ein paar Tagen im Camp wurde der Mann aus Kenia weiter verschleppt, erst in das berüchtigte Geheimgefängnis auf die Bagram US -Air Force Base in Afghanistan und später nach Guantánamo. Bis heute sitzt Mohammed Abdulmalik in dem US -Gefangenenlager auf Kuba, ohne Anklage und Gerichtsverfahren. Bereits seit über sieben Jahren.
Auch Deutschland kennt die Bedeutung von weißen Nissan-Autos. Bereits mehrmals schenkten das BKA und das Auswärtige Amt der ATPU weiße Nissan-Wagen für den Anti-Terror-Kampf: Im Dezember 2010 überreichte die deutsche Botschaft in Nairobi vier Autos an die ATPU , zwei Jahre später übergab die deutsche Botschafterin einen weiteren Geländewagen «Nissan X-Trail» im Rahmen einer «Kooperation zwischen deutschen und kenianischen
Weitere Kostenlose Bücher