Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
zwischen nationalistischen Kampf und Terrorismus und wie schnell sich politische Bewertungen ändern können: Nach weniger als 20 Jahren saßen die Personen, die für das Attentat 1984 verantwortlich waren, in der Regierung von Nordirland.
In der Woche, in der wir Brighton besuchen, sorgt ein britischer General für Schlagzeilen in der englischen Presse. Er vertritt die Meinung, der Westen hätte schon 2002 mit den Taliban verhandeln sollen – und nicht weiter angreifen.
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«Für viele Entführungsopfer in Afrika war Camp Lemonnier der Einstiegspunkt in das geheime amerikanische Gefängnissystem», sagt Clara Gutteridge. «Nur ein kurzer Blick in für jedermann zugängliche Veröffentlichungen hätte der deutschen Regierung 2007 gezeigt, in welche Vorgänge die Hauptbasis von AFRICOM in Dschibuti involviert war», erklärt sie. In Verschleppungen und Folter, hauptsächlich in Somalia. «Wir haben Jahre damit verbracht, Berichte zu veröffentlichen und zu dokumentieren, was in Camp Lemonnier passiert.»
Und dann sagt Clara Gutteridge einen entscheidenden Satz. Einen Satz, der deutlich macht, warum es für uns alle wichtig ist, nach Afrika zu schauen. Er lautet: «Der geheime Krieg in Somalia zeigt alle Phasen des ‹Krieges gegen den Terror›, wie ihn die USA überall auf der Welt führen.»
In der ersten Phase bis 2008 wurden mutmaßliche Terroristen mit Marschflugkörpern gejagt, die von einem Marineschiff abgefeuert wurden. Die Angriffe kamen von der See, die Raketen mussten erst eine weite Strecke fliegen, bis sie ihr Ziel trafen. Sie waren dabei sehr ungenau, oft wurden dabei auch unbeteiligte, unter keinem Verdacht stehende Zivilisten getötet. Neben den gezielten Tötungen von Schiffen und von Hubschraubern aus waren die Jahre zwischen 2001 und 2008 auch die Zeit der Entführungen und illegalen Verschleppungen.
Gutteridge erzählt uns die Geschichte eines Mandanten. Als Detektivin geht sie jedem Fall sehr gründlich nach. Im Fall Suleiman Abdallah Salim fand sie den privaten Kopfgeldjäger, der den Mann im Jahr 2003 in Somalia gekidnappt und nach Kenia verschleppt hatte. Um weitere Beweise zu sammeln, reiste sie jahrelang durch Afrika und nach Afghanistan. Die gefundenen Dokumente liegen jetzt ausgebreitet vor uns auf dem Hoteltisch.
Der Kopfgeldjäger erzählte ihr, wie er Abdallah Salim entführt und an die Amerikaner ausgeliefert hatte. Danach begann für Salim eine brutale Reise durch das geheime US -Gefängnissystem. Nach fünf Jahren entließ ihn das amerikanische Militär wieder aus der Haft. In seinen Entlassungspapieren bestätigten ihm die USA , dass er unschuldig war. Die Vereinigten Staaten hatten ihn mit einem Terroristen aus dem Jemen verwechselt.
Wahrscheinlich wurde der Mann nur aufgegriffen, weil er mit hellerer Haut als die meisten in seiner Heimat geboren wurde. Die Kopfgeldjäger in Afrika wissen, dass die CIA -Unterhändler der Vereinigten Staaten für hellhäutige Menschen mehr zahlen. Sie glauben, dass Menschen in Afrika mit nicht ganz so dunkler Haut mehr Verbindungen nach Europa und den USA haben. Schon dies macht sie des Terrorismus verdächtig.
Nachdem Abdallah Salim von dem lokalen Warlord aufgegriffen worden war, brachten dessen Schergen ihn zum Flughafengebäude im Camp Lemonnier. Hier hielten ihn die Amerikaner fest. Er musste sich ausziehen. Salim wurde von den Wärtern schwer misshandelt. Das erzählte er Gutteridge nach langem Zögern. «Es dauerte sehr lange, bis er Vertrauen zu uns aufgebaut hatte und berichten konnte, was ihm im Flughafen von Camp Lemonnier passiert ist», sagt sie. «Für ihn war das alles unfassbar beschämend.»
Von der AFRICOM -Basis in Dschibuti brachte ihn ein Flugzeug nach Afghanistan, wo er in verschiedenen amerikanischen Geheimgefängnissen festgehalten wurde – unter anderem im berüchtigten «Salt Pit» nördlich von Kabul. Hier saß er eine Zeitlang in der Nachbarzelle des deutschen Entführungsopfers Khalid al-Masri, der in Mazedonien entführt worden war. Während der Verhöre in Salt Pit wurde al-Masri geschlagen und bekam Drogen gespritzt, um ihn zu einer Aussage zu zwingen. Ein anderer Insasse erfror nackt und angekettet in seiner Zelle.
Im Juli 2008 wurde Suleiman Abdallah Salim entlassen. Er hatte überlebt.
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Camp Lemonnier war auch Umschlagplatz für einige weitere Klienten von Clara Gutteridge. Zum Beispiel von Mohammed Ali Isse. Eine Söldnertruppe im Auftrag der USA fing den Somali als islamistischen
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