Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
«grundsätzlich keine Informationen weiter, die unmittelbar für eine zielgenaue Lokalisierung benutzt werden können», heißt es.
Nur: Woher will die Regierung wissen, wofür Informationen genutzt wurden? Wie kann sie sicher sein? Will sie es überhaupt so genau wissen?
Bekannt ist, dass Emrah Erdogan oft aus Waziristan nach Deutschland telefoniert hat, zu oft für einen Dschihadisten. Das Bundeskriminalamt ( BKA ) hörte hunderte Anrufe aus Mir Ali ab. Einmal kündigte Emrah am Telefon einen Selbstmordanschlag seines Bruders Bünyamin an. 80 bis 90 Menschen sollten sterben. Ob das Prahlerei, ein Scherz oder ernst gemeint war, ist bis heute unklar. Eine Staatsschützerin des BKA hörte das Gespräch mit und ging danach von einem «tatsächlichen Tatplan» aus. Ein Mordversuch stand aus Sicht des BKA unmittelbar bevor. Ob die Deutschen diese schwerwiegende Einschätzung an US -Behörden weitergegeben haben, ist unbekannt. Falls ja, hätten sie Bünyamin, Emrah, die anderen und das deutsche Haus damit zum Ziel gemacht.
Vier Wochen nach Emrahs Telefonat bombardierten amerikanische Predator-Drohnen die Deutschen in Waziristan.
Wir wissen heute sicher, welche Informationen das Bundeskriminalamt auf jeden Fall kurz vor dem tödlichen Drohnenangriff mit den amerikanischen Diensten geteilt hat: Das BKA hatte weitergegeben, dass im Umfeld Bünyamins drei pakistanische und drei türkische Mobiltelefone benutzt wurden. Und wohl auch, in welches Internet-Café Bünyamin in Mir Ali gerne ging, wie sein Skype-Benutzerkonto hieß und wie seine deutsche Handy-Nummer lautete. Das haben Bundestagsabgeordnete nach dem Angriff durch parlamentarische Anfragen erfahren.
All diese Daten sind hilfreich, wenn man Menschen sucht. Ohne sie ist es eigentlich unmöglich, in schlecht zugänglichen Stammesgebieten wie Waziristan Terroristen zu jagen. Hat ein Geheimdienst eine Telefonnummer, kann er damit ihren Benutzer orten. Hat ein Geheimdienst den Namen eines Skype-Accounts, kann er die geführten Telefonate mithören. Hat ein Geheimdienst ein ganzes Bündel solcher Informationen, ist es kein großer Aufwand mehr, die Person zu finden – und aus der Luft zu bombardieren.
Trotz aller Dementis bleibt der Verdacht, dass Deutschland Informationen zur Verfügung gestellt hat, die direkt oder indirekt zur Ermordung deutscher Bürger geführt haben – ein geschichtlich einmaliger Vorfall.
Aber nur eines von vielen Beispielen für die deutsche Unterstützung in Amerikas geheimem Krieg.
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Nachdem Emrah Erdogan seine Mail an den deutschen Abgeordneten abgeschickt hatte, flüchtete er nach Afrika. Zuerst setzte er sich nach Somalia ab, wo er sich einer islamistischen Organisation angeschlossen haben soll. Später reiste er über Äthiopien bis nach Kenia.
Es wurde immer enger für ihn. Nachdem die kenianische Polizei ein Foto von Emrah veröffentlicht hatte, flüchtete er erneut. Er packte seine wenigen Sachen in Nairobi zusammen und stieg in ein Flugzeug nach Tansania. Noch am selben Tag sollte er in der Hauptstadt Dar es Salaam landen.
Der «Julius Nyerere International Airport» liegt vor den Toren des Vier-Millionen-Einwohner-Molochs am Indischen Ozean. Er ist nur ein kleiner Flughafen mit zwei Terminals und einer übersichtlichen Tafel mit Starts und Landungen. Vor fast hundert Jahren hatte die deutsche Kolonialregierung den Grundstein für den ersten Flughafen in Tansania gelegt. Als sich Emrah Erdogan in dieser Sonntagnacht, im Juni 2012 , nach der Ankunft in der Schlange am Einreiseschalter anstellte, wurde er bereits erwartet. Deutsche Beamte hatten ihre Kollegen vor Ort gewarnt. Die Kriminalpolizisten und Ermittler des tansanischen Amtes für Terrorbekämpfung waren auf jede Form von Aufruhr vorbereitet. Doch Emrah Erdogan ließ sich ohne jede Gegenwehr festnehmen.
3. Kapitel Der tiefe Staat Amerika – der tiefe Staat Deutschland?
John Goetz bei der Recherche, mit Polizisten
Die Festnahme des mutmaßlichen Islamisten Emrah Erdogan in Tansania wurde in einer knappen Meldung auf der Webseite der Generalbundesanwaltschaft bekannt gegeben, ein paar kleine Artikel erschienen in den Zeitungen.
Als wir das lasen, verstanden wir schnell, dass deutsche Informationen zur Hinrichtung eines Bundesbürgers geführt hatten. Die Ereignisse um die Brüder Erdogan waren der letzte Anstoß für uns, aber die Geschichte hinter diesem Buch fing schon viel eher an.
Wir sind Journalisten, die gern recherchieren. Oft handeln unsere Texte und
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