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Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)

Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)

Titel: Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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spätestens drei Monaten dürfen die Flüchtlinge zu Verwandten weiterziehen oder werden auf Asylbewerberheime in ganz Deutschland verteilt.
    Das Lager in Friedland ist eine Einrichtung des niedersächsischen Innenministeriums, auch das Bundesverwaltungsamt hat einige der 55  Gebäude gemietet. Auf den Lagerplänen, die überall auf dem Gelände in Glaskästen aushängen, wird jedes Haus beschrieben und mit Farben markiert. Die Unterkünfte sind darauf hellblau, der Speisesaal ist orange und die Fahrradwerkstatt gelb eingezeichnet. Nur eine Einrichtung im Keller von Haus  16 finden wir auf dem Plan nicht: die Hauptstelle für Befragungswesen.
    Von Asylbewerbern und aus einer Antwort der Bundesregierung wissen wir, dass sich ein getarntes BND -Büro in diesem Haus befinden soll. Wir schleichen um das gelbe Gebäude, ein Schild auf dem Rasen warnt auf Deutsch und Russisch: «Betreten verboten». Drinnen sind die Böden gefliest, die Wände steril weiß. Die «Anmeldung» ist unbesetzt. Ein goldenes Schild mit Bundesadler verweist lediglich auf das «Bundesverwaltungsamt» als Mieter. Die Türen zur Kelleretage sind verschlossen.
    Dort, im sogenannten «Gewölbe» von Gebäude  16 des Grenzdurchgangslagers Friedland, arbeiten sechs Mitarbeiter der Hauptstelle. Sie treffen auf die Asylbewerber meistens erst bei dem dritten Interview, das die Flüchtlinge in Deutschland geben, wenn sie schriftlich dazu eingeladen wurden. Manchmal finden die Gespräche in Räumen von Asylbewerberheimen statt, manchmal in gemieteten Büros, aber auch schon mal in einem Café. Das wissen wir von befragten Asylbewerbern und Übersetzern, die wir im gesamten Bundesgebiet getroffen haben. Aus Angst vor Repressionen wollen viele von ihnen nicht zitiert werden, nicht einmal anonym.
    Die Somalier berichten uns, dass die Frager vom Amt zum Beispiel wissen wollten, wie der lokale Anführer von al-Shabaab in ihrer Region hieß. Mit wem ist er befreundet? Wie heißen seine Geschwister? In welche Moschee geht er beten? Wo hält er sich normalerweise tagsüber auf? Alles Informationen, die relevant sind, wenn man eine Person auskundschaftet – und zum Ziel machen will. Amerikanische Zielerfasser sammeln genau diese Details, um Drohnenpiloten und Sensor Operators beauftragen zu können, wann und wo sie ihre unbemannten Flugroboter kreisen lassen sollen. US -Drohnen könnten einen Terrorverdächtigen beispielsweise gut auf dem Nachhauseweg nach dem Besuch der Moschee hinrichten.
    Oder die BND -Mitarbeiter interessierten sich dafür, wie sich die islamistischen Terrorgruppen finanzieren. Woher bekommen sie ihr Geld? Über welche Wege erhalten die Milizen ihre Waffen? Welche Waffen benutzen die Aufständischen?
    Ein ehemaliger Polizist aus einer somalischen Hafenstadt landete nach seiner Flucht in Hamburg. Er erzählte den Befragern, dass er mit den Islamisten von al-Shabaab zusammengearbeitet hatte. Daraufhin musste er ihnen berichten, wie die Miliz Nachschub über eine Fähre aus dem Nachbarland schmuggelte. Auf einer Karte sollte er den Weg zeigen. Wahrscheinlich verriet er damit eine wichtige Waffenlieferroute.
    Von anderen Einwanderern wollten die Geheimdienstler wissen, mit wem sie befreundet waren, welche al-Shabaab-Mitglieder sie kannten, was in Trainingscamps der Miliz passiert, was man dort lernt und wo diese sich genau befinden.
    Auch Wendungen der Umgangssprache fragten die Interviewer ab. Etwa: «Sagt man noch ‹ 5  Grüne›, wenn man 5  Dollar meint?» Solches Wissen ist wichtig, um Personen zu verstehen, die man abhört oder deren Mails und Chats man abfängt.
    «Wir fingen morgens um 8  Uhr mit dem Interview an, mittags haben wir eine Stunde Pause gemacht, dann ging es nonstop weiter bis 18  Uhr», erinnert sich ein Übersetzer an die Befragung eines hochrangigen somalischen Politikers durch die Hauptstelle. «Glauben Sie, da ging es nur um Fragen des Asylverfahrens?», fragt der Dolmetscher rhetorisch. Vielmehr wollten die Befrager alles über den Präsidenten und seine Macht wissen: Wer stützt ihn? Wer arbeitet gegen ihn? Welchen Politikern kann man in Somalia vertrauen?
    Viele der Befragten sind der Einladung des Geheimdienstes nur gefolgt, weil sie Angst vor Nachteilen hatten, wenn sie nicht hingegangen wären. Geld bekamen sie für ihr Insiderwissen nie direkt. Immer wieder hören wir aber davon, dass besonders kooperative Asylbewerber weniger Probleme mit ihrer Aufenthaltsgenehmigung hatten. Schon während des Gespräches

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