Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
berichten konnte. Mit welchen Personen hält er Kontakt im Ausland? In welche Länder reist er und von wo bekommt er Besuch? Verkehrt er häufig mit Arabern? Wo überall hat er Wohnsitze? In welchem Stadtteil wohnte er zu welcher Zeit?
Damals wunderte sich Amina Mohamed darüber. Die Fragen hatten doch nichts mit ihrem Antrag auf Asyl zu tun. Heute hat sie eine Ahnung, wer sie da befragt haben könnte.
*
Wir treffen uns mit eingewanderten Somalis, mit Übersetzern und Asylanwälten, weil wir verstehen wollen, wie US -Drohnen ihre konkreten Ziele finden. Woher kennen sich amerikanische Piloten tausende Kilometer entfernt von Somalia so gut aus in der Hauptstadt Mogadischu, obwohl sie noch nie da waren? Wer sind ihre Informanten?
Seit dem Beginn der amerikanischen Drohnenangriffe 2007 sind über 6000 Menschen aus Somalia nach Deutschland geflüchtet. Die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und diversen Gegnern machen das Land seit dieser Zeit in einigen Teilen unbewohnbar, die Flucht aus Somalia ist oft die einzige Chance, um zu überleben. Im Jahr 2010 belegten Somalis den sechsten Platz in den «Top 10 » der Asylbewerber in Deutschland. Somalia ist bis heute eines der Hauptherkunftsländer von Asylsuchenden in Deutschland.
Neben dem Leid haben die geflüchteten Menschen auch die aktuellsten Informationen aus ihrer zur Krisenregion gewordenen Heimat im Gepäck. Sie wissen, wohin sich Rebellen zurückgezogen haben. Sie kennen die von der Islamistenmiliz al-Shabaab besetzten Gebiete. Vielleicht hatten sie sogar Kontakt zu gesuchten Terroristen oder können über die Lebensumstände und Tagesabläufe des aktuellen Machthabers berichten. Für Geheimdienste sind Flüchtlinge eine perfekte Quelle. HUMINT wird das Abschöpfen von Personen genannt – Human intelligence, Menschliche Aufklärung.
Der «Krieg gegen den Terror» funktioniert auch, weil es die Asylbewerber in Deutschland gibt.
Egal ob Bäcker, Ingenieur, Arzt oder Ex-Soldat. Jede Information eines Einwanderers kann wichtig werden, wenn man beispielsweise einen Drohnenangriff in der Nähe eines Vorortes von Mogadischu plant. Für Geheimdienst-Analysten, wie sie in Stuttgart für AFRICOM arbeiten, vervollständigen diese «weichen Quellen» das Bild, das sie sich anhand von Drohnenaufklärungsflügen, Satellitenaufnahmen, Landkarten und Nachrichtendienst-Informationen über ein al-Shabaab-Ausbildungscamp oder das Umfeld eines terrorverdächtigen al-Qaida-Kämpfers gemacht haben.
Frauen wie Amina Mohamed und somalische Männer sind ein Baustein im Zielerfassungssystem. Wir treffen sie, um mehr darüber zu erfahren, wie das sogenannte «targeting» funktioniert – also wie US -Drohnen im geheimen Krieg in Afrika ihre Ziele finden. Und wir wollen wissen: Wie erreichen die Informationen aus einem deutschen Asylbewerberheim das US -Militär?
*
«Seit zwei Jahren geht das jetzt schon so», sagt Ahmed Wazir. Der 50 -jährige Somalier ist ein schlaksiger Typ, trägt selbst im Hochsommer eine Mütze auf dem Kopf. Seit 20 Jahren arbeitet er als Übersetzer für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Er kommt viel herum, übersetzt im bayerischen Zirndorf, in Halle/Saale und Gießen. Auch er trägt hier einen anderen Namen; aus Angst, seine Aufträge als Dolmetscher für Flüchtlinge aus Somalia zu verlieren, bat er uns, seinen wirklichen Namen nicht abzudrucken. Wir treffen ihn bei einem Italiener in einer Stadt in Ostdeutschland, denn er will uns von den merkwürdigen Männern berichten, die sich neuerdings so sehr für somalische Asylbewerber interessieren.
Wenn ein Flüchtling in Deutschland gelandet ist, wird er innerhalb der ersten Tage von Beamten zu einem Erstaufnahmegespräch gebeten. Bei diesem Interview muss der Bewerber seine Fingerabdrücke abgeben und Formalien beantworten: Name, Herkunft, Alter, Beruf.
Innerhalb der nächsten Wochen folgt dann die offizielle Asylanhörung. In diesem zweiten Gespräch möchte das Bundesamt herausbekommen, ob der Bewerber wirklich politisch verfolgt wird und ob er eventuell über ein sicheres Drittland eingereist ist – in das er gegebenenfalls wieder abgeschoben werden kann.
Meist erst bei diesem zweiten offiziellen Termin in Deutschland tauchen jene Männer auf, die ihre Laptops aufklappen und sich – für ein deutsches Amt unüblich – nur mit Vornamen wie «Markus» oder «Stefan» vorstellen. Sie seien Praktikanten und wollten nur zuhören, sagen sie. Auch wenn sie bereits 40 Jahre alt und
Weitere Kostenlose Bücher