Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
Wiesbaden
Bald darauf hat der hessische Polizist wieder aufgelegt. Unser Kollege hat ihm erklärt, dass wir für das öffentlich-rechtliche Fernsehen recherchieren. Ein Gefühl sagte uns, dass er die ganze Sache genauso absurd fand, obwohl er das nicht so direkt gesagt hat.
Er hat das Gespräch mit typischem Polizei-Galgenhumor beendet:
«Seien Sie vorsichtig. In Guantánamo ist immer noch eine Zelle frei.»
Wie nett.
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Nur wenige Tage nachdem wir aus Darmstadt-Griesheim zurückgekommen waren, erschütterte ein Computer-Nerd die Welt. Ein damals 29 -Jähriger mit einem fahlen Gesicht, einer randlosen Brille und einer Pole-Dancerin als Freundin löste einen der größten Skandale der Obama-Regierung aus.
Edward Snowden war einige Jahre bei der CIA und dann vier Jahre lang als IT -Techniker bei der NSA angestellt. Genau genommen hieß sein Arbeitgeber Booz Allen Hamilton. Die private Technologieberatung ist ein großer Auftragnehmer der US -Regierung und arbeitet auch für den Nachrichtendienst NSA . Siebzig Prozent des Geheimdienst-Budgets der Vereinigten Staaten, 75 Milliarden Dollar jährlich, fließen in die Kassen solcher «Private Contractors». Doch Snowden wollte dieses Geld nicht mehr, er hatte bereits innerlich gekündigt, sich eine Menge NSA -Daten auf vier private Laptops gezogen. Dann war er nach Hong Kong und später weiter nach Moskau geflohen, um auszupacken. Er war zum Spion der Spione geworden.
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Edward Snowdens ehemaliger Auftraggeber, der Geheimdienst NSA , beschäftigt laut Schätzungen mehr als 35 000 Mitarbeiter. Sein abgeschirmter Hauptsitz befindet sich in 9800 Savage Road, Fort Meade im Bundesstaat Maryland. Mit über 50 Gebäuden, einer Feuerwehrstation, einer Bankfiliale, Friseur, Post, eigener Polizei und einer eigenen Postleitzahl ist das Areal größer als das Pentagon.
Das NSA -Headquarter ist ein riesiger Bunker mit verspiegelten Glasfassaden. «Verteidige die Nation und sichere die Zukunft», zeigen Laufbänder in Endlosschleife an, die an den Wänden im Inneren der Zentrale hängen.
Als wir uns vor einigen Jahren mit einer Quelle in der Nähe des NSA -Hauptquartiers in einem Coffee-Shop im Einkaufszentrum trafen, wirkte der Ort wie eine normale Mall. Aber die Männer in den Geschäften trugen fast alle Ausweise um den Hals, ihre Gespräche waren sehr leise.
Die Arbeit des «Lauschers der Nation» wird von einem geheimen Gericht kontrolliert, auch einzelne Abhörmaßnahmen der NSA werden hier genehmigt. Die Beschlüsse des Gerichts sind ebenfalls geheim und werden nie veröffentlicht. Angeblich ist die Agency der größte und finanziell am besten ausgestattete Nachrichtendienst der USA . Doch genau weiß das keiner, denn sowohl die Zahl der Mitarbeiter als auch der Haushalt sind top secret. Laut unbestätigten Geheimpapieren der NSA soll sie ein Jahresbudget von 10 , 8 Milliarden US -Dollar zur Verfügung haben.
Whistleblower Snowden berichtete der britischen Zeitung
Guardian
und der
Washington Post
, dass der US -Militärnachrichtendienst sechs Jahre lang Millionen Nutzer auf der ganzen Welt ausspioniert hatte. Die Agenten verschafften sich Zugang zu Mails, Chats, Internet-Telefongesprächen bei Skype, Bildern und Videos sowie zu sozialen Netzwerken wie Facebook. Internetfirmen wie Google, Apple oder Microsoft gewährten der NSA direkten Zugang zu ihren Servern. Das Spähprogramm nannte sich «Prism», das Prisma.
Viele weitere Programme und Ausspäh-Datenbanken wurden in den Wochen danach bekannt. Es sollen insgesamt über hundert Horch- und Guck-Projekte sein. Sie tragen Namen wie «Ragtime», «ThinThread» oder « XK eyScore».
Mit XK eyScore beispielsweise ist es möglich, in Echtzeit jeden Internetnutzer zu überwachen. Die Agenten können dann sehen, was er gerade tippt oder sucht. Über die Plattform können die Spione Eigennamen, Mail- oder IP -Adressen, Suchworte in Suchmaschinenabfragen, die Sprache des Verdächtigen, Telefonnummern sowie Chat-Nutzernamen und Freundeslisten etwa in Mails aufspüren. Über eine Extra-Funktion ist es zudem möglich, auf sämtliche Facebook-Chat-Inhalte einer Person zuzugreifen. Sogar rückwirkend kann überprüft werden, was jemand im Internet gesucht hat. Im Grunde hat man mit XK eyScore Zugriff auf die gesamte Internetkommunikation eines Nutzers. Die Plattform ist nicht weniger als ein Spionage-Google.
Allein in das Dachprogramm «Stellar Wind» sollen 50 verschiedene Überwachungsprogramme zur Datenanalyse
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