Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
wissen, wo die Anlagen gebraucht wurden. Also bestellte der stämmige Mann seine Zulieferer zu einem Bauhof in einem anderen Bundesland und fuhr die Sachen selbst zur Baustelle. Nur er sollte die Stelle kennen, wo genau sich das Gebäude befand. Als er später einmal im Internet nach dem Haus suchte, fand er an der Stelle bei Google Maps nur «frischen Wald» – es wirkte auf ihn, als ob jemand künstliche Pixel-Bäume an die Kartenposition kopiert hätte.
Dieser klandestine Ort liegt genau auf dem Gelände am Eberstädter Weg in Darmstadt-Griesheim, an dem die Schilder ungebetene Besucher davon abhalten sollen, zu nah an das Objekt heranzukommen. Die deutschen Klimaanlagen kühlen heute wahrscheinlich die streng geheimen Rechenzentren und die Köpfe der Mitarbeiter der National Security Agency.
An diesem Ort sollen Teile einer Brigade des «United States Army Intelligence and Security Command ( INSCOM )» sitzen. Der Nachrichtendienst der US Army ist der militärische Arm der NSA . Diese Unterabteilung der National Security Agency spitzelt nur im Auftrag der US -Streitkräfte.
Neben der Abwehr von Spionage und Terrorismus sowie dem Schutz sicherer Kommunikation der US -Armee ist INSCOM auch für die Aufklärung des Gegners zuständig: Entschlüsselung von geheimen Dokumenten («Kryptoanalyse»), Hacken von Computersystemen und Abhöraktionen über Radar und Satellitenanlagen gehören zum Tagesgeschäft. Neben allen Möglichkeiten der elektronischen Aufklärung arbeitet der Armee-Zweig der NSA auch mit menschlichen Quellen vom gegnerischen Gefangenen bis zum Auslandsagenten.
Vergleicht man INSCOM mit deutschen Strukturen, findet man keinen vergleichbaren Dienst. Ähnliche Aufgaben übernehmen in der Bundesrepublik die Bundeswehr und der Auslandsnachrichtendienst BND – in den Vereinigten Staaten ist alles unter dem Hut des Geheimdienstes NSA vereint.
Doch jedes Geheimnis hat seine Schwachstelle. Und Klimaanlagen wurden der NSA zum Verhängnis, sie sind die Achillesverse im gewaltigen Überwachungskörper der US -Spionage-Einheit in Deutschland. Nur so haben wir von ihrer Existenz erfahren.
*
Wir fahren weiter. Dann sehen wir es. Auf einer braunen Tafel steht der Gruß « WELCOME to the Dagger Complex». Wir steigen aus, um genauer hinschauen zu können. Immerhin werden wir willkommen geheißen. Dagger heißt auf Deutsch Dolch. Das hört sich nicht so freundlich an.
Wir schauen überall, aber auch als wir am Haupteingang angekommen sind, finden wir keinen Hinweis auf die National Security Agency. Wer nicht weiß, was sich hinter dem Namen «Dagger Complex» verbirgt, wird hier nichts Ungewöhnliches vermuten. Die braune Tafel sieht harmlos aus. Die Anlage ist aber extrem stark geschützt.
Am Eingangstor entdecken wir in den Boden eingelassene Zacken, die bei Gefahr hochgefahren werden können. Diese «Panzersperren» sollen feindliche Autos abhalten. Dann gucken wir am Zaun hoch und sehen die Bewegungsmelder und Infrarotkameras, von denen uns Anwohner bereits am Telefon berichtet hatten. Angeblich zeichnen die Kameras jeden Besucher auf, der sich dem Zaun nähert.
Ein Wachmann trägt ein weißes Hemd, eine Plakette an der Brusttasche und ein Basecap mit Smiley auf dem Kopf. Er und seine Kollegen schauen unruhig aus ihrem Häuschen heraus. Wir blicken unsicher zurück. Es muss ein merkwürdiges Bild sein, das wir hier abgeben: Männer, die auf Männer starren.
*
Eigentlich sind wir auch hierhergekommen, um Filmaufnahmen zu drehen. Wir schauen uns an und beschließen, am besten den Eingangsbereich zu filmen, wo unsere Arbeit am offensichtlichsten und gut beobachtbar ist. Wir wollen uns nicht mit dem Geheimdienst gemein machen und uns verstecken. Darum gehen wir zurück zum Auto, steigen wieder ein, packen unsere Kamera aus und fahren mit Tempo 20 am Haupteingang entlang. Dabei filmen wir aus dem Wagen. Plötzlich springt einer der Wachmänner von seinem Stuhl auf und stürmt aus dem Tor. In seiner Hand hält er jetzt eine kleine Kompaktkamera – und filmt uns.
Was genau in der geheimen NSA -Filiale passiert, wird für uns heute hier nicht klarer, als wir noch mal versuchen, durch den Zaun zu schauen. Das, was wir sehen, passt aber zu dem, was uns Menschen berichtet haben, die schon Einblicke in den Komplex hatten.
Nur wenige Personen, die nicht dort angestellt sind, durften das Gelände bisher betreten. Weder die Aktivisten einer Bürgerinitiative noch der Lokalreporter waren jemals im «Building
Weitere Kostenlose Bücher