Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
4373 », in dem die Nachrichtendienst-Mitarbeiter sitzen sollen. Seitdem die NSA -Untereinheit vor 15 Jahren in Griesheim Quartier bezogen hat, lädt die US Army auch keine Anwohner mehr zu Festen ein.
Nur der ehemalige Bürgermeister Norbert Leber und sein Darmstädter Kollege durften die Kaserne vor Jahren einmal besuchen. So versuchten die Stabskommandanten vor Ort die Lokalpolitiker im Nachhinein zu beschwichtigen, weil die geheimen Bauarbeiten auf dem Gelände nicht von den Kommunen genehmigt waren.
«Wenn ein Bürger eine Garage bauen will, muss er ein langwieriges Verfahren angehen, aber wenn hier teilweise sicherheitsrelevante Maßnahmen, die möglicherweise auch eine Kommune beeinflussen, stattfinden, dann werden wir nicht gefragt», sagt uns Leber noch heute hörbar empört. Die Bauarbeiten waren von einer höheren deutschen Behörde erlaubt worden, aber im Geheimen, nicht öffentlich. Norbert Leber findet das befremdlich. «Ich habe nicht immer das Gefühl gehabt, dass wir alles erfahren haben.»
Über einen Informanten bekommen wir Kontakt zu dem ehemaligen Wachmann einer deutschen Sicherheitsfirma. Er hat das Haupttor des Dagger Complex geschützt. Genau wie die Männer, die uns eben gefilmt haben.
Oft musste der Mann Mitarbeiter durchwinken, auf deren Hausausweisen « DOD Contractor» stand – die Abkürzung für zivile Mitarbeiter des US -Verteidigungsministeriums. «Von amerikanischen Kollegen habe ich dann erfahren, dass diese Leute oftmals keine Zivilangestellten sind, sondern Mitarbeiter von CIA , DIA oder NSA .» Und INSCOM . Diese Organisationen bilden die Phalanx der US -Geheimdienste: Auslandsnachrichtendienst, Verteidigungsnachrichtendienst, Spionagenachrichtendienst, Militärnachrichtendienst.
Der Sicherheitsmann wunderte sich auch, wo die vielen Mitarbeiter eigentlich arbeiten. Von den 18 Millionen US -Dollar Investitionen war auf dem Gelände nicht viel zu sehen. Auch der Riesenparkplatz schien ihm verdächtig. Der Wachmann schätzt, dass viel mehr Autos darauf passen, als es Arbeitsplätze in den oberirdischen Gebäuden im «Dagger Complex» in Griesheim gibt. Aber oft war der Parkplatz voll, wenn am Morgen sein Dienst in der Kaserne begann.
Neben ein paar wenigen Häusern erkennen wir vor allem Entlüftungsschächte hinter den Stacheldrahtzäunen. Diese können der Kühlung von Serverfarmen und Großrechnern dienen, aber auch ein Hinweis auf einen groß angelegten Bürotrakt unter der Erde sein. So glauben es der ehemalige Bürgermeister von Griesheim und der Reporter der Lokalzeitung. Auch der Objektschützer vermutet, dass «die ganze Chose dort unterirdisch stattfindet». Eine amerikanische Kollegin will ihm einmal verraten haben, dass die Dagger-Leute «unter der Erde mit Computern arbeiten».
Ein hochrangiger Army-Mitarbeiter, den wir in einem Äppelwoi-Biergarten in Hessen treffen, bestreitet jedoch, dass es in Griesheim unterirdische Anlagen gibt.
*
Auf dem Weg zurück in die Stadt, während wir mit unserem Auto noch am Zaun des Dagger Complex vorbeifahren, kommt uns ein Polizeiauto entgegen. Die Beamten schauen uns an, als sie langsam an unserem Wagen vorbeifahren. Freundlich winken wir den Polizisten. Ein wenig sind wir erleichtert, dass die deutsche Polizei jetzt hier ist. Die Amerikaner werden keinen Gebrauch von ihrer Schusswaffe machen, solange deutsche Polizisten da sind, denken wir. Aber dann fährt der Einsatzwagen weiter. Wir denken uns nichts dabei. Auch wir fahren weiter. Etwas später klingelt das Mobiltelefon bei einem Kollegen.
«Guten Tag, Polizei Griesheim, was machen Sie denn da vor der US -Kaserne?»
Überrascht und erst etwas sprachlos, brauchen wir ein bisschen, um zu verstehen, was hier gerade passiert. Dann sagen wir:
«Was wir machen? Wir sind vom NDR und recherchieren, wieso?»
Es stellt sich heraus, dass die Polizisten, die uns im Auto entgegenkamen, vom Wachmann der Kaserne die Buchstaben- und Zahlenkombination unseres Nummernschildes erfahren hatten. Über eine Abfrage des Fahrzeughalters haben die Ermittler die Produktionsfirma herausgefunden und über sie, wer heute das Auto benutzt. Es dauerte eine Stunde, bis die Polizisten unsere Namen kannten und unsere Telefonnummern hatten.
Was wissen sie vielleicht noch über uns?
Im breiten südhessischen Dialekt sagt der Polizist:
«Die Amerikaner haben Angst, dass hier spioniert wird.»
15. Kapitel Mit den Daten gegen die Datensammler
Wachturm und Stacheldraht: vor der Clay-Kaserne in
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