Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
einfließen. Die «Mainway»-Datenbank liefert Telefonverbindungsdaten, «Marina» sammelt Internet-Metadaten, «Nucleon» wertet die Inhalte von Telefonaten aus, «Trafficthief» speichert gezielt ausgewählte Kommunikations-Metadaten und «Pinwale» analysiert Videos und Mails. Alle diese Dienste fließen in «Stellar Wind» ein. Auch «Prism» gehört dazu. «Prism ist nur die Spitze des Eisberges», sagt Thomas Drake, der jahrelang in Spitzenpositionen für die NSA gearbeitet hatte und ein paar Jahre vor Snowden ausgestiegen und zum Whistleblower geworden war.
«Ich war berechtigt, jeden anzuzapfen: Sie, einen Bundesrichter oder den Präsidenten. Ich brauchte nur seine Mailadresse», sagt Edward Snowden. Alle abgelauschten Daten wurden automatisch gespeichert und durch Rechner nach interessanten Inhalten gefiltert.
Außerdem überwachten die Agenten auch die Telefone von tausenden Amerikanern, um Verbindungsdaten, Ort und Gesprächspartner zu speichern. Sie sicherten sogenannte Metadaten der Verbindungen wie den Zeitpunkt und die angerufenen Nummern von Gesprächen in die USA und von Amerika in andere Länder. Telekommunikationskonzerne wie Verizon und AT & T kooperierten dafür mit der NSA .
Das Besondere an diesem Spionageskandal ist, dass diesmal nicht ein Staat einen anderen Staat ausspioniert hat. Erstmals überwachte ein Staat alle Bürger eines anderen Landes.
Präsident Barack Obama und der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich sagten später unisono, die Überwachungsprogramme hätten weltweit bis zu 50 Anschläge verhindert. Neben Attentaten auf die New Yorker Börse und die U-Bahn sei auch ein Bombenanschlag auf den dänischen Zeichner vereitelt worden, der mit Mohammed-Karikaturen den Zorn von Muslimen auf sich gezogen hatte. Durch abgefangene Mails aus Pakistan sei die NSA außerdem der sogenannten «Sauerland-Zelle» auf die Spur gekommen, die Anschläge in Deutschland geplant hatte. Nachweise, welche konkreten Informationen durch «Prism» gewonnen und an die Bundesrepublik weitergeleitet wurden, konnten beide Regierungen bisher jedoch nicht vorlegen.
Laut einem internen NSA -Dokument wurden in Deutschland überdurchschnittlich viele Daten abgegriffen – mehr als in jedem anderen westlichen Land. Und mehr als anderswo in Europa. Jeden Monat überwachte der Geheimdienst eine halbe Milliarde Kommunikationsvorgänge aus Deutschland. Allein im Dezember 2012 wurden jeden Tag die Metadaten von durchschnittlich 15 Millionen Telefonaten und 10 Millionen Internetverbindungen abgefangen. Auf der Weltkarte des NSA mit den am stärksten überwachten Regionen ist Deutschland gelb markiert. Nur in Afghanistan, im Iran und Pakistan wurde mehr gespitzelt – diese Länder sind auf der Karte rot eingefärbt.
Dass Afghanistan die Liste der am meisten ausspionierten Länder anführt, kann auch damit zu tun haben, dass die Deutschen die NSA beim Abhören der Kommunikation in Afghanistan so tatkräftig unterstützen.
Die gespeicherten Informationen werden nie gelöscht, weil eine unverdächtige E-Mail oder ein unbedeutender Telefonkontakt zwischen zwei Personen später eventuell dennoch entscheidend werden könnten, bestätigten NSA -Beamte der Nachrichtenagentur
Associated Press
. «Mein Ziel war es, den Datenverkehr der gesamten Welt zu erfassen und zielgerichtet zu analysieren», sagte der ehemalige Technische Direktor der NSA , William Binney, in einem Interview mit dem
stern
.
Kreditkartenabrechnungen, Krankheitsakten, Mails, Surfverhalten im Netz, Zeiträume, Orte, Netzwerke – am besten
alles
sollte gespeichert werden. Es ging nicht mehr darum, aktuelle Straftäter zu verfolgen, sondern alle Daten zu besitzen, die zu speichern möglich war.
In der Logik der NSA kann jeder Bürger irgendwann zum Täter werden. Zum Feind. In dem Fall könnte man auf den Speicher-Schatz zurückgreifen. Oder frühzeitig erkennen, wenn jemand plötzlich seine Mails verschlüsselt, viel Geld abhebt, oft verreist, andere Sprachen spricht. Anhand von wiederkehrenden Mustern in den Daten sollen mathematische Modelle künftige Terroristen herausfiltern und Anschläge vorhersagen. Das NSA -Zukunftsszenario klingt wie eine unheilvolle Mischung der Visionen aus George Orwells Roman « 1984 » und dem Steven-Spielberg-Film «Minority Report», in dem Tom Cruise als «Precrime»-Polizist zukünftige Morde verhindern soll.
Was auch immer noch über die Spähprogramme der NSA herauskommen wird, schon jetzt ist klar: Es
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