Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
Liste von Akronymen und Abkürzungen durchsuchten wir Profile von NSA -Mitarbeitern in Karrierenetzwerken, scannten Auftragsdatenbanken und lasen Publikationen der US -Streitkräfte.
Uns interessierte, wo sich die geheimen NSA -Spionagezentren in Deutschland genau befinden. Dafür forschten wir auf frei zugänglichen Informationsseiten. Zuerst loggten wir uns im «Federal Procurement Data System» ein – eine Datenbank, in der alle öffentlichen Aufträge der US -Regierung eingetragen sind. Eine riesige Auflistung von Anschaffungen mit Steuermitteln: der Bauauftrag für eine Grundschule, der Versorgungsvertrag mit einem Papierlieferanten des Weißen Hauses, Granaten für den Secret Service. Das alles findet sich dort.
Auch einige Beschaffungen der NSA sind eingetragen.
In den Datenmassen finden sich Hinweise, wenn man sie denn erkennt. Zum Beispiel lasen wir in einem Dokument Folgendes: DEPT OF THE ARMY , 0409 AQ HQ , 0066 MI HHC HHC X 1 MI BDE M . Aus den kompliziert klingenden Abkürzungen in dem Papier erfahren wir, dass die 66 . Geheimdienstbrigade Möbel gekauft hat. Wir wussten bereits, dass diese Brigade der militärische Name einer INSCOM -Einheit in Deutschland ist, des Militärnachrichtendienstes, der eng mit der NSA kooperiert. Und wohin sollten die neuen Möbel der Agenten geliefert werden? In den Dagger Complex nach Griesheim.
Eine weitere unverzichtbare Quelle für unsere Gegenspionage war die Seite FedBizOps.gov. Hier finden sich Millionen Ausschreibungen amerikanischer Behörden. Unternehmen können sich hier für die Aufträge digital bewerben und Angebote hochladen. Man kann aus der Datenbank erfahren, dass eine Straße in Tennessee neu geteert werden soll, aber auch, dass die Luftwaffe eine Satellitenanlage in Ramstein für die Drohnensteuerung bauen will.
Aus dem Eintrag USA - SNOTE - 060830 - 003 lasen wir beispielsweise heraus, dass die 66 . Brigade ein Computerprogramm erwerben wollte. In einer anderen Ausschreibung wurde ein Anbieter für die Spionagesoftware «Taclane» gesucht, die gern von der NSA genutzt wird. Installiert werden sollte die Software auf Rechnern in «Germany, Darmstadt, Dagger Complex, Eberstädter Weg, Building 4373 ». Genauer kann einen eine Recherche nicht zu Orten führen, die man sucht.
Nach und nach fanden wir so heraus, dass INSCOM und die NSA von mindestens vier Standorten in Deutschland aus operieren. Neben Darmstadt sitzt der Dienst auch in Mainz, Wiesbaden und Stuttgart. Die meisten Einheiten sind militärische Brigaden, nur in Stuttgart ist das offizielle europäische NSA -Vertretungsbüro stationiert.
Aus einer Datenbank-Liste mit Militärgebäuden in Hessen erfuhren wir, dass sich der deutsche INSCOM -Hauptsitz heute in Wiesbaden befindet. Auf dem Wiesbaden Army Airfield, in der Clay-Kaserne, im Gebäude 1024 . Hier ist auch das Headquarter der 66 th Military Intelligence Brigade.
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Wir fahren nach Wiesbaden. Über eine Bundesstraße nähern wir uns dem Flugplatz Erbenheim, wie die US -Kaserne mit Start- und Landebahn auch genannt wird. Ein rundes Verkehrsschild mit grünem Rand zeigt uns an, dass wir plötzlich auf einer «Privatstraße» fahren, obwohl wir nirgends abgebogen sind. Am Ende der Straße erreichen wir den Eingang der «Lucius D. Clay-Kaserne».
Unter der Überschrift «Warning» lesen wir, dass ein US -Kommandeur das gesamte Areal zum «Sperrgebiet» erklärt hat aufgrund einer amerikanischen Direktive von 1954 . Alle Personen, die sich in der Nähe des Geländes aufhalten, dürfen durchsucht werden. Fotografieren, schriftliche Notizen, Zeichnungen, Karten, graphische Darstellungen des Gebietes und der Vorgänge darauf sind verboten. «Jegliches Material dieser Art, das gefunden wird, unterliegt der Beschlagnahmung.»
Der Kreisverkehr lässt drei Optionen zu. Weiter durch das Eingangstor in die Kaserne, zurück auf die Straße nach Wiesbaden oder eine kleine geteerte Piste am Außenzaun der Kaserne entlang. Nach der dritten Rundfahrt im Kreisel werden die Wachleute am Eingang langsam unruhig, wir entscheiden uns für die dritte Option.
Minutenlang sehen wir Metalltore, Stacheldrahtzäune, Panzersperren, Überwachungskameras, einen Wachturm und ein paar Wohnhäuser auf dem Gelände. Aber nirgendwo sind Menschen zu sehen. Irgendwann gelangen wir an einen Nebeneingang und kreiseln uns von dort auf die Hauptstraße zurück. Gegenüber den hochgesicherten Agenten äsen französische Charolais-Rinder in beeindruckender Langeweile.
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