Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
schließen. »Warum übernehmen Sie das nicht? Ich glaube, ich bin zu müde.« Er seufzte. »Ich habe nicht sonderlich gut geschlafen letzte Nacht. Immerzu habe ich geträumt, ein kleiner Bär würde im Nebenzimmer knurren. Es war höchst beunruhigend.«
Er lehnte sich in die Kissen zurück, öffnete seinen Mund, wie ein kleiner Vogel, der erwartet, von seinen Eltern gefüttert zu werden. Samantha blickte ihn eine Weile an, dann kippte sie das Glas bedächtig um. Der kalte Guss traf Gabriel mitten ins Gesicht. Er schoss hoch, spuckte und fluchte.
»Verdammt, Frau! Was soll das? Wollen Sie mich ertränken?«
Samantha wich ein paar Schritte zurück und stellte das Glas mit Nachdruck auf den Tisch. »Ertränken ist viel zu gut für Sie und Ihresgleichen. Sie wissen sehr wohl, dass letzte Nacht nebenan kein kleiner Bär war. Das war ich! Und wie können Sie es wagen, sich mir gegenüber solche Freiheiten herauszunehmen!«
Gabriel blinzelte das Wasser aus seinen Augen, wirkte gleichermaßen empört wie verblüfft. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie sprechen.«
»Sie haben mir die Brille abgenommen!«
Er schnaubte ungläubig. »So wie Sie sich aufführen, könnte man meinen, es seien Ihre Kleider gewesen!«
Samantha raffte ihr schlichtes flaschengrünes Kleid am Ausschnitt zusammen. »Woher soll ich wissen, dass Sie das nicht getan haben?«
Die Stille zwischen ihnen wurde drückender als die Hitze im Raum. Als er schließlich sprach, war seine Stimme gefährlich leise. »Wenn ich Sie ausgezogen hätte, Miss Wickersham, dann – das kann ich Ihnen versichern – hätte es sich für Sie gelohnt aufzuwachen.« Noch ehe Samantha entscheiden konnte, ob diese Prahlerei als Drohung oder als Versprechen gemeint war, fuhr er fort. »Alles, was ich getan habe, war, Ihnen die Brille abzunehmen und Sie zuzudecken. Ich habe einfach nur versucht, es Ihnen bequem zu machen.«
Zu ihrer Verwunderung legte sich über seine Wangenknochen eine schuldbewusste Röte. Sie hätte ihn nicht für einen Mann gehalten, der rot wurde. Sowohl Lügen als auch Halbwahrheiten müssten ihm eigentlich aalglatt über die Lippen gehen.
Er legte sich zurück unter die Decken, seine Miene arroganter als zuvor. »Nun, wenn Sie mit meinem ungeplanten Bad fertig sind, könnten Sie so reizend sein und mir ein Handtuch holen?«
Samantha verschränkte die Arme vor der Brust. »Holen Sie es sich doch selbst.«
Gabriel zog eine dunkelgoldene Augenbraue in die Höhe, sodass sich seine Narbe spannte. »Wie bitte?«
»Wenn Sie ein Handtuch wollen, holen Sie es sich selbst. Ich bin es leid, Sie von vorne bis hinten zu bedienen. Sie mögen blind sein, aber Sie haben immer noch einwandfrei funktionierende Arme und Beine.«
Ihre Behauptung erwies sich als wahr. Er warf die Decken zur Seite und sprang auf, ragte bedrohlich über ihr auf. Das Glöckchen fiel mit einem misstönenden Laut zu Boden und rollte halb durch den Raum.
Samantha hatte vergessen, wie beeindruckend er war, wenn er sich nicht im Bett räkelte. Besonders, wenn er kein Hemd anhatte und nur fadenscheinige Kniehosen aus Wildleder trug. Obwohl sich in seiner Nähe ihr Atem beschleunigte und ihre Haut warnend prickelte, weigerte sie sich, auch nur einen Schritt zurückzuweichen.
»Darf ich Sie daran erinnern, Miss Wickersham, dass, wenn Ihnen die Arbeitsbedingungen hier nicht zusagen, Sie nur Ihre Kündigung einreichen müssen?«
»Nun gut, Mylord«, antwortete sie, und eisige Ruhe erfasste sie. »Ich glaube, genau das werde ich tun. Ich kündige hiermit.«
Ein fast komischer Ausdruck vollkommener Überraschung legte sich auf seine Züge. »Was soll das heißen, Sie kündigen?«
»Es soll heißen, dass ich mir meinen ausstehenden Lohn abholen, meine Sachen packen und noch vor dem Abend Ihr Haus verlassen werde. Wenn Sie wollen, werde ich Mr. Beckwith bitten, eine neue Anzeige in den Zeitungen zu schalten, bevor ich gehe. Ich würde vorschlagen, diesmal eine noch bessere Entlohnung anzubieten, obwohl kein Geld der Welt es wert wäre, mehr als eine Stunde lang Ihren lächerlichen Forderungen nachzukommen.« Auf dem Absatz kehrt machend, schritt sie zur Tür.
»Miss Wickersham, kommen Sie sofort zurück! Das ist ein Befehl!«
»Ich habe gekündigt«, warf sie über ihre Schulter, und wilde Befriedigung strömte durch ihre Adern. »Ich bin nicht länger verpflichtet, Befehle von Ihnen entgegenzunehmen!« Ohne auf sein wütendes Stottern zu achten, marschierte Samantha zur Tür
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