Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
hinaus und warf sie mit einem Gefühl grimmigen Triumphes hinter sich ins Schloss.
Gabriel stand neben seinem Bett. Ihm dröhnten noch von dem Knallen der Tür die Ohren. Alles war so rasch geschehen, dass er immer noch darum rang, es zu begreifen.
Die Männer, die früher unter ihm gedient hatten, hätten es nie gewagt, seine Anordnungen zu missachten, doch diese sture kleine Pflegerin hatte ihm einfach kühn getrotzt.
Er hatte gewonnen, erinnerte er sich entschlossen. Wieder. Sie hatte ihm genau das gegeben, was er gewollt hatte – ihre Kündigung. Er sollte eigentlich triumphierend durchs Zimmer tanzen.
» Miss Wickersham! «, schrie er und wollte ihr nachlaufen.
Die zahllosen Stunden, die er untätig im Bett verbracht hatte, hatten seinem mühsam über Monate hinweg erworbenen Gleichgewichtssinn und seinem Orientierungsvermögen schwer geschadet. Er hatte kaum mehr als drei Schritte gemacht, als er auch schon mit dem Knöchel an dem geschwungenen Bein des Beistelltischchens hängen blieb. Beide, er und der Tisch, gerieten ins Wanken. Etwas rutschte von der polierten Tischplatte und zerbarst auf dem Boden in einer Explosion aus splitterndem Glas und Porzellan.
Es war zu spät, den Schwung aus seiner Vorwärtsbewegung zu nehmen. Gabriel stürzte und spürte einen Stich irgendwo an seinem Hals, als er auf dem Boden aufkam. Er lag einen Augenblick lang da, rang um Atem. Doch als er sich schließlich aufrappeln wollte, sandte ihn ein heftiger Schwindel wieder zu Boden.
Seine Hand landete in einer warmen Lache. Einen Moment lang dachte er, es sei das Wasser von dem zerbrochenen Glas und dem Krug. Doch als er seine Fingerspitzen aneinander rieb, waren sie klebrig.
»Verdammt«, stieß er aus, als er begriff, dass es sein eigenes Blut war.
Und verdammt, so schien es, würde er wirklich sein, denn das Blut sammelte sich in einer rasch ausbreitenden Pfütze.
Kurz befand er sich wieder an Deck der Victory , den kupferartigen Gestank von Blut in der Nase, das nicht von ihm allein stammte. Es rauschte in seinen Ohren – wie das Rauschen eines hungrigen Meeres, das ihn verschlingen wollte.
Gabriel streckte einen Arm aus, suchte etwas, an dem er sich festhalten konnte, um nicht in den gähnenden Abgrund zu stürzen. Seine tastenden Finger schlossen sich um einen vertrauten Gegenstand – den Holzgriff seines Glöckchens. Er zog es zu sich, doch die Anstrengung schwächte ihn zu sehr; er vermochte den Arm nicht zu heben und zu läuten.
Er ließ den Kopf sinken, dachte verwundert über die Ironie und die Unwürdigkeit von alldem nach. Er hatte Trafalgar überlebt, um nun in seinem eigenen Schlafzimmer zu verbluten, zu Fall gebracht von einem Möbelstück und einer scharfzüngigen, anmaßenden Pflegerin. Es ging ihm durch den Kopf, ob die kaltherzige Miss Wickersham wohl an seinem Grab ein paar Tränen vergießen würde. Wenngleich er sein Lebensblut verrinnen spürte, musste er bei dem Gedanken fast lächeln.
»Miss Wickersham?«, rief er schwach. Seine letzte Kraft verwandte er darauf, dem Glöckchen ein mattes Klingeln zu entlocken. Seine Stimme war nur noch ein heiseres Wispern. »Samantha?«
Dann wurden das Läuten des Glöckchens und das Rauschen in seinen Ohren leiser, sie verklangen zu einer Stille, die so schwarz und umfassend wie die ewig währende Dunkelheit war.
6
Meine liebe Miss March,
Sie bezeichnen mich als verdorben und unverschämt,
dennoch möchte ich wetten,
dass dies genau die Ei genschaften sind,
die Sie bei einem Mann schier un widerstehlich finden …
»Unerträglicher Kerl«, schimpfte Samantha vor sich hin, während sie einen seidengefütterten Rock in ihre Reisetruhe zwängte, ohne sich die Mühe zu machen, ihn ordentlich zusammenzulegen. Sie knüllte einen fadenscheinigen Unterrock zusammen und stopfte ihn oben auf den Rock. »Ich kann nicht begreifen, warum ich so dumm war zu meinen, ich könnte ihm helfen.«
Während sie in ihrem bescheidenen Schlafzimmer hin und her stürmte und Haarnadeln und Schuhe, Strümpfe und Bücher zusammensammelte, hörte sie von oben ein nur zu vertrautes Poltern. Die Decke bebte, sodass ihr Putz auf den Kopf rieselte.
Samantha schaute noch nicht einmal auf. »Ich mag ja eine Närrin sein, aber darauf falle ich nicht noch einmal herein«, verkündete sie kopfschüttelnd. »Wenn er sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufführen will, dann wird er lernen müssen, hinter sich aufzufegen, oder?«
Sie war gerade dabei, die Stiefel in ihre
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