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Geheimnis des Feuers

Geheimnis des Feuers

Titel: Geheimnis des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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es nicht.
    Das Bett blieb leer.
    Die Tage vergingen langsam und schwer. Manchmal dachte Sofia, dass die sonderbare Zeit, die es gab und nicht gab, wie die trägen Flusspferde war, die sie im Fluss hatte herumschwimmen sehen, wenn sie und Maria ihre Kleider wuschen.
    Auch wenn Sofia um jeden Preis und so schnell wie möglich so gut gehen lernen wollte, dass sie wieder nach Hause konnte, fragte sie sich doch oft, wie die Zukunft aussehen würde. Nie würde sie rennen oder tanzen können und sie dachte, dass kein Mann sie würde haben wollen, wenn sie erwachsen war und sich Kinder wünschte. Die Gedanken waren weniger schwer gewesen, als noch jemand da war, mit dem sie sie teilen konnte. Aber Hortensia war und blieb fort.
    Eines Tages waren ihre neuen Beine fertig. Doktor Raul holte Sofia aus dem großen Raum, in dem sie mit Benthinos Hilfe gehen übte. Zusammen gingen sie zu Mestre Emilio. Er lächelte ihr entgegen und zeigte auf zwei Beine, die gegen den Tisch gelehnt waren.
    »Darf ich dir deine neuen Freunde vorstellen«, sagte er. »Sie werden von jetzt an viele Jahre mit dir zusammen sein. Da du noch wächst, wirst du später einmal zwei neue längere Beine brauchen. Aber bis dahin sind die hier deine besten Freunde.«
    Die Beine waren aus hellbraunem Plastik. Sie waren dick wie gewöhnliche Beine und hatten unten keine Schuhe.
    Das eine Bein war länger als das andere, da es oben am Schenkel befestigt werden musste.
    Gemeinsam passten sie Sofia die neuen Beine an. Als sie sich aufrichtete, merkte sie, dass sie passten. Es scheuerte nur ein wenig unterm linken Knie. Wenn sie ihre Capulana bis zu den Füßen fallen ließ, könnte niemand sehen, dass es nicht ihre eigenen Beine waren. Doktor Raul sagte, sie solle ein wenig im Zimmer herumgehen.
    »Tut es weh?«, fragte er. Sofia schüttelte den Kopf.
    »Kann ich jetzt nach Hause?«, fragte sie stattdessen. »Noch nicht«, antwortete Doktor Raul. »Du musst noch mindestens einen Monat zum Üben hier bleiben. Aber dann darfst du nach Hause.«
    An diesem Abend versuchte Sofia ihre Capulana auf verschiedene Weise zu drapieren, damit die künstlichen Beine nicht zu sehen waren. Sie ging vor dem langen Haus auf und ab und es war fast so, als ob alles wie früher sei. Wer es nicht wusste, konnte nicht erkennen, dass ihre Beine aus Plastik waren.
    Von diesem Tag an benutzte Sofia keinen Rollstuhl mehr. Vorher hatte sie ihre Beine immer erst im Krankenhaus angelegt. Jetzt tat sie es morgens und behielt sie an, bis sie abends zurückkam und schlafen ging. Sie nahm sie mit ins Bett und legte sie unter die Decke, weil sie Angst hatte, jemand könnte sie stehlen.
    Eines Abends, als sie mit ihren Beinen neben sich im Bett lag, dachte sie, sie musste jedem einen Namen geben.
    Wenn es so war, wie Doktor Raul gesagt hatte, dass sie ihre besten Freunde waren, mussten sie Namen haben. Sie lag in der Dunkelheit und dachte nach. Wie konnte man Beine eigentlich nennen? Nachdem sie hin und her überlegt hatte, beschloss sie, das rechte Bein Kukula und das linke Bein Xitsongo ( bedeutet »kurz« und »lang« in Sofias Sprache) zu nennen. Sie beschloss auch, niemandem zu erzählen, wie sie ihre Beine genannt hatte. Sie dachte daran, was die alte Muazena einmal gesagt hatte: Seine Geheimnisse verwahrt man am besten und sichersten, indem man sich an ein Feuer setzt und sie in die Flammen wirft. Dann sind sie für immer dort, selbst wenn das Feuer erlischt.
    Sie leben erneut auf, wenn am nächsten Tag ein neues Feuer aufflammt.
    »Das Feuer lässt dich nicht im Stich«, hatte Muazena damals vor langer Zeit gesagt. »Es bewahrt deine Geheimnisse und verrät sie nie einem anderen.«
    In dieser Zeit kamen Mama Lydia und José-Maria immer seltener zu Besuch. Sie hatten viel zu tun und Sofia saß oft in der Türöffnung und wartete vergebens auf sie. Manchmal hatte Sofia solches Heimweh, dass es wehtat.
    Nichts war so schwer zu ertragen wie das. Wenn sie an einem Abend einmal nichts zu essen bekam, konnte sie von dem Hunger wegschlafen. Aber das Heimweh war immer da.
    Hin und wieder steckte Doktor Raul ihr ein paar Geldscheine zu. Für das Geld kaufte sie sich Apfelsinen.
    Aber eines Tages hatte sie eine Idee. Wenn sie das Geld sparte, würde es für einen Platz in einem der alten rostigen Laster reichen, die Leute zwischen der Stadt und den Dörfern außerhalb hin- und herfuhren. Sie würde Mama und Alfredo überraschen und über ein Wochenende nach Hause fahren, wenn sie nicht ins Krankenhaus und

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