Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geheimnis des Feuers

Geheimnis des Feuers

Titel: Geheimnis des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
voran. Sie wusste, dass der Weg lang war. Im starken Sonnendunst sah sie die Konturen der Berge am Horizont flimmern. Schon das gab ihr ein Gefühl, zu Hause zu sein. Es waren die Berge, die Maria und sie immer gesehen hatten, wenn sie morgens zu den Äckern liefen. Als sie ganz verschwitzt vom Gehen war, blieb sie im Schatten eines Baumes stehen und aß das Stück Brot. Sie bereute, dass sie kein Wasser mitgenommen hatte. Ehe sie zu Hause ankam, würde sie sehr durstig sein. Ihre Oberschenkel und das linke Knie taten weh. Aber sie hatte keine Zeit sich auszuruhen. Sie müsste weiter. Hin und wieder fuhr ein Auto an ihr vorbei. Aber niemand hielt an, um sie zu fragen, ob sie mitfahren wollte.
    Erst spät am Nachmittag erreichte Sofia das Dorf. Da war sie fast am Ende vor Müdigkeit und Durst. Am Dorfrand gab es einen Brunnen. Nach dem hatte sie sich schon seit Stunden gesehnt. Dort standen viele Frauen und Kinder mit Plastikbehältern und warteten darauf, dass sie an der Reihe waren. Viele kannten Sofia, viele glaubten, sie wäre vielleicht schon gestorben, und jetzt freuten sie sich sie wieder zu sehen. Sie bekam Wasser zu trinken und sie setzte sich auf den Brunnenrand um sich auszuruhen. Jemand gab ihr Obst und alle fragten nach der Stadt und wollten ihre Beine sehen. Ohne dass Sofia es merkte, lief jemand zu Lydias Hütte und erzählte, dass Sofia nach Hause gekommen war.
    Sie begegneten sich, als Sofia den Brunnen verlassen hatte, um das letzte Stück zu gehen. Plötzlich sah sie Lydia zusammen mit Alfredo auf sich zukommen. Lydia schien fast erschrocken zu sein sie zu sehen. Sie streichelte ihre Arme und fragte, ob das Krankenhaus sie weggeschickt habe.
    »Ich wollte euch nur besuchen«, sagte Sofia. »Morgen muss ich wieder zurück.«
    »Bist du den ganzen Weg gelaufen?«, fragte Lydia. »Das muss ja mehrere Tage gedauert haben.« »Ich bin mit einem Laster gefahren«, sagte Sofia. »Ich habe eine Fahrkarte gekauft.«
    Sie sagte nicht, dass sie kein Geld für die Rückfahrt hatte. Dann würde Lydia sich nur noch mehr Sorgen machen. Sofia hatte noch nie verstanden, wieso sich Erwachsene immer Sorgen wegen Problemen machten, die erst später, an einem anderen Tag, gelöst werden mussten.
    Als sie nach Hause kamen und Sofia sich auf die Bastmatte gesetzt hatte, war sie so müde, dass sie sich am liebsten ausgestreckt hätte. Aber die ganze Zeit kamen Leute zu Besuch, alle wollten sie begrüßen. Wieder und wieder musste sie von der Zeit im Krankenhaus erzählen, von der großen Stadt, und ihre Beine zeigen. Sie vergaß die Müdigkeit und spürte die Freude, zu Hause zu sein bei allen, die sie kannte. Lydia hatte angefangen Essen vorzubereiten, und Alfredo saß neben Sofia und sah sie mit großen Augen an. Sofia bemerkte, dass Mama Lydia dick geworden war. Das bedeutete, dass sie bald ein Kind und Sofia noch ein Geschwister bekommen würde. Sofia fragte sich, wer von den Männern, die hereinkamen und sie begrüßten, der Vater des Kindes war. Lydia wollte sie nicht fragen. Sie würde es schon noch erfahren. Der Gedanke, dass sie noch einen Bruder oder eine Schwester bekommen würde, machte sie froh. Schon aus dem Grund, weil es bedeutete, dass es Mama Lydia gut ging.
    An diesem Abend saßen sie länger am Feuer als sonst. Immer noch tauchten Menschen aus den Schatten auf und kamen heran, um Sofia zu begrüßen. Alfredo schlief an ihrer Seite ein und schließlich saßen nur noch Lydia und Sofia am Feuer.
    »Wann kommst du wirklich nach Hause?«, fragte Lydia. »Ich weiß nicht«, antwortete Sofia. »Bald, hoffe ich.« »Du hättest nicht so weit mit einem Laster fahren sollen«, sagte Lydia. »Wer hat dir das Geld für die Fahrkarte gegeben?«
    »Doktor Raul.«
    »Und wenn du nun nicht zurückfindest?« »Die Laster folgen der Straße«, antwortete Sofia. »Und die Straße führt in die Stadt. Ich kann den Weg nicht verfehlen.«
    Nachdem Lydia Alfrede in die Hütte getragen hatte, sagte Sofia, sie wollte noch eine Weile am Feuer sitzen, bevor sie schlafen ginge. Lydia fragte nicht, warum, sondern verschwand in die Hütte.
    Sofia war allein. Während sie dasaß und in die Flammen starrte, wurde ihr klar, dass sie auch wegen des Feuers ein solches Heimweh gehabt hatte. Erst jetzt, als sie in der lauwarmen Dunkelheit vor der Hütte saß und den Trommeln lauschte, die in der Ferne schlugen, konnte sie richtig an all das denken, was geschehen war. Jetzt meinte sie nicht nur Muazenas und Hapakatandas Gesichter in den

Weitere Kostenlose Bücher