Geheimnis des Feuers
dass Sofia nach Hause gefahren war. Umkehren konnte sie jetzt nicht mehr. Sie ging zu einer Frau, die auf dem Trottoir saß. Vor sich hatte sie einen Käfig mit Hühnern. Sofia fragte sie, wo die Laster nach Boane abfuhren. Die Frau zeigte mit der Hand und fragte gleichzeitig, warum Sofia Krücken benutzte. War sie hingefallen und hatte sich verletzt? Sofia nickte. Sie ging in die Richtung, in die die Frau gezeigt hatte. Die Frau hatte nicht bemerkt, dass sie künstliche Beine hatte. Das machte sie froh und gab ihr neue Kraft. Sie fragte einen Jungen, der an der Tür eines Lasters hing und Fahrgäste herbeirief, ob er nach Boane führe. »Matola und Boane«, brüllte er. »Zweitausend.« Sofia erschrak. Zweitausend.
So viel hatte sie nicht. Sie hatte nur fünfzehnhundert.
»Ich habe nur fünfzehnhundert!«, rief sie ihm zu. »Dann musst du vor Matola aussteigen«, antwortete er und kassierte von anderen Leuten, die auf den Laster drängten. Sofia wurde hierhin und dahin gestoßen, mehrere Male wäre sie fast hingefallen. Sie versuchte wieder nach dem Jungen zu rufen, aber er sah sie nicht, er war von denen in Anspruch genommen, die auf den Laster kletterten. Bald würde die Ladefläche voll sein. Sofia wusste nicht, was sie tun sollte, nur, dass sie unbedingt auf den Laster hinaufmusste.
Plötzlich berührte sie jemand. Sie zuckte zusammen und drehte sich um. Da stand eine der Krankenschwestern, die sie aus der Zeit kannte, als sie in dem weißen Krankenzimmer gelegen hatte. Sofia erinnerte sich an ihren Namen: Laurinda.
»Sofia«, sagte sie, »wohin willst du?« »Ich will nach Hause«, sagte Sofia. »Aber mir fehlen fünfhundert.«
»Die bekommst du von mir«, sagte Laurinda. »Wenn dueinmal Geld hast, kannst du es mir ja zurückgeben.«
»Willst du auch nach Boane?«, fragte Sofia. Laurinda lächelte.
»Ich muss ins Krankenhaus«, antwortete sie. »Ich bin gerade angekommen.«
Der Junge, der an der Tür des Lasters hing, rief, dass der Laster jetzt abfahre. Laurinda schrie, Sofia wolle auch noch mit, und bat die Passagiere auf der Fläche ihr hinaufzuhelfen. Jemand nahm ihre Krücken entgegen und dann spürte sie kräftige Arme, die sie hochhoben. Sie konnte nichts dagegen machen, dass die Capulana aufglitt. Als sie in der Luft hing, konnten viele sehen, dass sie zwei künstliche Beine hatte. Sie wurde zwischen die dicht gedrängten Menschen geschoben und bekam ihre Krücken zurück. Der Junge streckte seine Hand vor und nahm das Geld. Noch ein paar Personen kletterten herauf. Sie hatten Körbe und Kisten und eine meckernde Ziege dabei.
Dann ruckte der Laster an. Sofia brauchte sich nicht auf ihren Krücken abzustützen. Sie stand eingekeilt zwischen zwei dicken Frauen, die große Körbe auf ihren Köpfen balancierten.
Sofia war froh, dass sie von so vielen Menschen umgeben war. Sie wollte nicht mehr an die große Einsamkeit denken, die sie so lange hatte ertragen müssen. Um ihren Kopf wehte ein frischer Wind. Der Laster hüpfte und schaukelte und schwankte. Bald hatten sie die Außenbezirke der Stadt erreicht und der Laster wurde schneller. Hin und wieder hielt er an, um Leute aussteigen oder neue einsteigen zu lassen. Sie fragte eine der dicken Frauen an ihrer Seite, ob es noch weit bis Boane war. »Erst müssen wir noch über die Brücke«, antwortete die Frau. »Dann geht es einen Hügel hinauf. Und einen Hügel hinunter. Dann sind wir da.«
Sofia schloss die Augen und spürte den Wind in ihrem Gesicht. Eigentlich müsste sie schon überlegen, wie sie nach Hause finden sollte, wenn sie in Boane ausgestiegen war. Und wie sie dann zurück in die Stadt gelangen sollte, wo sie doch kein Geld für die Fahrkarte hatte. Aber das war ihr jetzt egal. Muazena hatte ihr erzählt, dass es zwischen den Geheimnissen des Feuers auch Lösungen für viele Probleme gab. Sofia war sicher, dass sie irgendwo ein brennendes Feuer finden würde, an das sie sich setzen könnte, um in die Flammen zu schauen. Der Laster bremste und rutschte am Straßenrand entlang. Sie waren da. Viele wollten aussteigen und Sofia wurde hin und her gestoßen.
Dann warf sie die Krücken auf die Erde und kräftige Arme halfen ihr von der Ladefläche herunter. Sie wusste, in welche Richtung sie gehen müsste. Da die Sonne sehr stark brannte, wickelte sie ein Stück Stoff um ihren Kopf.
Dann ging sie los. Die Krücken versanken im Kies und es war anstrengend sich vorwärts zu bewegen. Aber sie biss die Zähne zusammen und kämpfte sich weiter
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