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Geheimnis des Feuers

Geheimnis des Feuers

Titel: Geheimnis des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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auf ihren neuen Beinen gehen lernen musste. Sie wusste, dass sie in Boane wohnte. Wenn sie nur dort ankam, würde sie auch nach Hause finden. Sie fragte Veronica, wo die Laster abfuhren, die Leute nach Boane brachten. Damit Veronica keinen Verdacht schöpfte und ihr vielleicht verbieten würde dorthin zu fahren, versuchte sie ihre Frage so zu stellen, als ob sie an der Antwort eigentlich gar nicht interessiert wäre.
    Veronica erklärte es ihr und Sofia merkte sich alles genau, was sie hörte.
    Ungefähr eine Woche später hatte sie genügend Geld beisammen. Sie beschloss früh am Samstagmorgen aufzubrechen. Damit Veronica sich keine Sorgen machte, wollte sie einem der alten kranken Männer, die immer frühzeitig auf waren, sagen, dass sie nach Hause gefahren war und am Sonntag zurückkommen würde.
    Sie sparte auch ein wenig von dem Brot, das sie bekam, und versteckte es in einem Stück Papier im Bett. Die Tage vor der Reise war sie sehr aufgeregt. Was wäre, wenn sie nun in den falschen Laster stieg? Vielleicht landete sie irgendwo, von wo aus sie nicht mehr zurückfinden würde? Sie wusste auch nicht, wie lange die Fahrt dauern würde.
    Aber sie hatte sich entschieden. Sie musste nach Hause.
    Die Nacht vor der Fahrt schlief sie schlecht. Da sie nicht wusste, wie spät es war, wusste sie auch nicht, wie lange es dauern würde, bis die Sonne aufging. Als sie nicht mehr im Bett liegen konnte, stand sie auf, befestigte die Beine und zog sich an. Vorsichtig öffnete sie die Tür zur Dunkelheit hinaus. Es war warm und windstill. Aus den anderen Zimmern, in denen die Alten schliefen, war Schnarchen und Husten zu hören. Sie setzte sich in die Türöffnung und wartete auf die Sonne. Das Geld und das Stück Brot hatte sie in einen Zipfel ihrer Capulana geknotet. In Gedanken ging sie noch einmal durch, was Veronica gesagt hatte, wie sie gehen musste um zu dem Laster zu gelangen, der nach Boane fuhr.
    Endlich ahnte sie den ersten schwachen Lichtstreifen des neuen Tages. Sofort wurde eine der Türen weiter entfernt in dem langen Gang geöffnet. Ein alter Mann, der Manuel hieß und blind war, kroch heraus und setzte sich in die Tür. Es war Zeit aufzubrechen. Sofia stemmte sich mithilfe der einen Krücke auf die Beine, schloss die Tür und setzte sich in Bewegung. Als sie zu Manuel kam, grüßte sie ihn mit einem Guten Morgen und bat ihn, Veronica zu sagen, dass sie nach Hause gefahren sei. »Sei froh, dass du ein Zuhause hast«, sagte Manuel.
    »Meins ist hier. Keine Familie, nichts.« Der alte Manuel tat Sofia Leid. Sie fragte sich, was schlimmer war, mit künstlichen Beinen leben zu müssen oder nicht sehen zu können.
    Sie ging, so schnell sie konnte, weil sie nicht mehr auf dem großen Hofplatz sein wollte, wenn Veronica kam.
    Außerdem bestand die Gefahr ihr auf der Straße zu begegnen, da Sofia nicht wusste, aus welcher Richtung Veronica kam. Es war schon hell. Viele Leute waren auf dem Weg zur Arbeit. Sofia ging die staubige Straße in die Richtung, die Veronica ihr beschrieben hatte.
    Der Chapa (Busse und Laster, die als Transportmittel für die Menschen eingesetzt werden.) nach Boane fährt vom Platz vor der Kathedrale ab. Zuerst gehst du nach links, dann nach rechts und dann immer geradeaus den langen Hügel hinunter. Sofia bog nach links ab und dann nach rechts. Als sie eine Straße überqueren wollte, hupten Autos. Aber sie ging, so schnell sie konnte. Wütend sagte sie zu Xitsongo und Kukula, sie sollten sich beeilen. Hin und wieder musste sie stehen bleiben und Luft schöpfen. Wenn der Weg nun einmal so weit war, dass sie es nicht schaffte? Sie setzte sich wieder in Bewegung, voller Sorge, sie könnte in die falsche Richtung gegangen sein. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, der Schweiß floss über ihr Gesicht. Aber sie biss die Zähne zusammen und ging weiter.
    Sie würde nicht aufgeben, sie musste nach Hause.
    Schließlich erreichte sie den Platz. Eine große weiße Kirche erhob sich auf der anderen Seite. Entlang der Trottoire standen Laster, Leute stiegen aus und ein, mehr Laster rollten heran, beladen mit Leuten, die sich außen anklammerten. Die Laster gingen vorn in die Knie, weil so viele Menschen auf den Ladeflächen waren. Besorgt fragte Sofia sich, wie sie es schaffen sollte hinaufzukommen. Und wenn sie es schaffte, wie sollte sie hinuntergelangen, wenn der Laster in Boane ankam? Aber sie verdrängte ihre Unruhe. Jetzt konnte sie nicht aufgeben. Manuel hatte Veronica wahrscheinlich schon gesagt,

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