Geheimnis des italienische Grafen
und rosigen Wangen hin? Ich fühle mich geschmeichelt. Aber Bath kann auch seelische Wunden heilen – Krankheiten, die man nicht sieht.“
Sie holte tief Luft. Jetzt reichten ihr das Geplänkel, das sinnlose Gerede und die Heimlichtuerei. Am liebsten würde sie mit dem Fuß aufstampfen, diesem Schurken eine Faust voll seiner schönen schwarzen Haare ausreißen und ihn zur Ehrlichkeit zwingen.
Könnte sie sicher sein, dass er dann ehrlich wäre? Allmählich fürchtete sie, es würde überhaupt keine Sicherheit mehr geben.
Etwas weiter vorn sah sie den Eingang zum Labyrinth. Andere Spaziergänger erschienen auf den Wegen, die dorthin führten. Doch die hohen Hecken des Irrgartens würden gewiss alle Wutausbrüche gegen neugierige Blicke abschirmen, sollte sie tatsächlich die Beherrschung verlieren.
Kurz entschlossen umklammerte sie seinen Arm und zog Marco zum Eingang des Labyrinths. Er hob die Brauen, offenbar leicht verwirrt. Aber er bezahlte bereitwillig das Eintrittsgeld und folgte ihr in die Schatten.
Sie ließ ihn los und eilte voraus, wandte sich nach rechts und nach links – ohne nachzudenken, ohne die geringste Ahnung, wohin sie geraten würde.
Ringsum erklangen Stimmen, gedämpfte Echos, unverständliche Worte, so seltsam verzerrt, als entstammten sie einer anderen Welt. Thalia hatte das Gefühl, sie wäre ganz allein mit Marco, zwischen Wällen aus grünen Ästen gefangen. Nun bog sie wieder nach links ab, und ihr Weg endete in einer Sackgasse. Sie drehte sich um, eine dichte Hecke im Rücken.
„Welches Spiel treibst du, Marco?“
„Ein Spiel – ich? Du warst es, die das Labyrinth besuchen wollte. Und jetzt haben wir uns rettungslos verirrt …“
Plötzlich stürzte sie sich auf ihn, packte das Revers seines Gehrocks. Obwohl sie sich lächerlich fühlte, schüttelte sie ihn. Denn er war viel größer und stärker als sie. Mühelos könnte er sie wegstoßen.
Aber stattdessen starrte er sie einfach nur mit seinen unergründlichen dunklen Augen an.
„In Santa Lucia warst du unser Verbündeter“, fauchte sie und schüttelte ihn wieder. Unbewegt stand er da, wie die steinernen Statuen im Park. „Und jetzt machst du alles allein. Ohne ein einziges Wort zu Clio oder mir! Dauernd bist du mit Lady Riverton zusammen! Mit der Frau, die das Silber gestohlen und ihren Helfershelfer hintergangen hat, um mit der Beute zu fliehen! Willst du sie umgarnen, damit sie dir den Schatz überlässt? Wirst du ihn für dich behalten? Oder …“ Sie ließ die Hände sinken. Zitternd trat sie zurück. „Oder warst du schon die ganze Zeit ihr Komplize?“, wisperte sie.
Endlich zeigte sich der Anflug einer Emotion in seiner Miene, ein schmerzliches Staunen, das sofort wieder verschwand. „Wie schlecht du von mir denkst, Thalia.“
„Was ich denken soll, weiß ich nicht. Wenn ich dich in dieser trauten Beziehung zu Lady Riverton sehe, nach allem, was in Santa Lucia geschehen ist …“ Sie schluckte krampfhaft – unfähig, den Satz zu beenden.
„Sicher weißt du besser als sonst jemand, dass der äußere Schein oft trügt. Bist du selber etwa keine hochbegabte Schauspielerin? Der Star zahlreicher Amateur-Theateraufführungen? Wärst du nicht die Tochter eines Baronets, würdest du der berühmten Sarah Siddons Konkurrenz machen.“
„Aber ich bin die Tochter eines Baronets, und nicht nur irgendeines Baronets. Sir Walter Chase ist mein Vater. Schon in meiner Kindheit lernte ich, wie bedeutsam die Geschichte und die Kunstwerke des Altertums sind. Und Lady Riverton ist eine gemeine Diebin, die ein kostbares historisches Gut deines Landes gestohlen hat. Ich verstehe nicht, wie du ihr Freund sein kannst, geschweige denn ihr …“
Liebhaber. Obwohl das Wort unausgesprochen blieb, hing es wie eine schwarze Wolke zwischen ihnen. In Marcos Kinn zuckte ein Muskel, er straffte die Schultern, und Thalia sah sein Erbe – die Macht der römischen Heerführer, der Renaissance-Granden, all dieser Männer mit eiserner Willenskraft und leidenschaftlichen Kriegerinstinkten.
„Wie gesagt – der äußere Schein kann trügen.“ Sein Florentiner Akzent klang prägnanter als normalerweise. „Glaub mir, Thalia, es ist besser, wenn du nichts erfährst. In Zukunft solltest du Lady Riverton und mich nicht mehr beachten. Vergiss mich. Genieße deine Zeit in Bath, die Partys und Bälle, das Amüsement mit deinen Tanzpartnern.“
Von neuem Zorn erfasst, warf sie sich wieder auf ihn und trommelte mit beiden Fäusten gegen seine
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