Geheimnis des italienische Grafen
ihre Schwester Clio, seine einstige Komplizin bei allerlei Unfug, würde ihn gnadenlos verspotten.
Der Gedanke an Clio erinnerte ihn wieder an das Wort, das er ihr gegeben hatte – das Versprechen, ihre Schwester niemals in Gefahr zu bringen. Thalia war zweifellos imstande, auch ohne sein Zutun in bedrohliche Situationen zu geraten – und ihn mit sich zu ziehen, ins Verderben …
Nun, ein Versprechen war ein Versprechen. Aber er hatte nie gesagt, er würde darauf verzichten, einen verlorenen Regenschirm zurückzuerstatten.
9. KAPITEL
Glaub mir, Thalia, es ist besser, wenn du nichts erfährst. In Zukunft solltest du Lady Riverton und mich nicht mehr beachten . Vergiss mich.
Unablässig hallten Marcos Worte in ihrem Kopf wider, während Thalia in ihrem Schlafzimmer umherwanderte. Sollte sie etwa nicht versuchen, festzustellen, was er in Bath machte? Unmöglich! Genauso gut könnte er von der Sonne verlangen, am nächsten Tag nicht mehr aufzugehen.
Sie zog ihren Hausmantel enger um die Schultern, trat ans Fenster und schaute zur Straße hinab. Draußen wurde es allmählich dunkel, die Abenddämmerung begann. Nur mehr wenige Kutschen fuhren vorbei, die Leute kehrten heim, um sich auf Partys oder andere Amüsements vorzubereiten.
Genau das musste sie auch tun. Bald sollte sie mit Calliope und Cameron eine Kartenparty in Lord Grimsbys Haus besuchen. Und sie hatte noch nicht einmal ein Kleid ausgewählt. Aber wie konnte sie sich auf Musselin oder Seide und Abendschuhe konzentrieren, wenn alle ihre Gedanken um Marco kreisten?
Sie strich über ihre Unterlippe und erinnerte sich an das Gefühl seines Mundes auf ihrem, seinen Geschmack – so wundervoll, so berauschend. Nicht zum ersten Mal war sie geküsst worden, und sie hatte geglaubt, sie wüsste, was es bedeutete. Sie hatte sich sogar ausgemalt, wie es mit Marco wäre. Doch ihre Fantasien ließen sich nicht mit der Wirklichkeit vergleichen. So etwas hatte sie nie zuvor erlebt – eine Explosion mehrerer Feuerwerke, überwältigend, strahlend hell. Blendend.
Und sie wünschte sich noch mehr. Viel mehr.
Sie biss sich auf die Unterlippe und schob die Hände in die Ärmel ihres Hausmantels. Jetzt wusste sie, wie Marco küsste, und sie kannte seine Berührung. Zu gut. Sonst wusste sie fast nichts.
Wie rätselhaft er war – eine bedrückende Erkenntnis … Ja, sie wusste, dass er aus Florenz stammte, aus einer alten aristokratischen Familie. Doch das hatte sie nur wegen seines Adelstitels erfahren. Und wegen seiner Attitüde, die sie an einen Renaissance-Kriegsherrn erinnerte. Über seine Eltern oder seine Ausbildung wusste sie nichts. War er jemals verheiratet gewesen? Ist er womöglich jetzt verheiratet? Oh, das wäre so furchtbar … Und wieso kannte er Clio?
Thalia stöhnte laut auf und legte ihre Stirn an die Fensterscheibe. Doch das kühle Glas half ihr nicht, das fieberhafte Gewirr ihrer Gedanken abzuschütteln.
Nein, sie kannte Marco überhaupt nicht. Und trotzdem glaubte sie, ihr Herz würde ihn sehr gut kennen. Wann immer sie in seine Augen schaute, sah sie eine beglückende Vertrautheit.
Nun, vielleicht täuschte sie sich, und die gemeinsame Schauspielerei in Sizilien war ihr zu Kopf gestiegen, hatte den Eindruck einer tiefen Verbundenheit erweckt, die in der Realität gar nicht existierte.
Oder vielleicht – nur vielleicht – hatte sie recht.
Sie sehnte sich nach jemandem, dem sie alles anvertrauen könnte, was sie bewegte, der ihr helfen würde. Dafür wäre Calliope geeignet. Aber die brauchte solche Sorgen nicht, und Thalia vermutete, dass die Schwester ihre eigenen Geheimnisse hütete.
Würden diese Geheimnisse mich daran hindern, Marco zu mögen und mich auf ihn zu verlassen? Clio war weit weg. Selten hatte Thalia sich so allein gefühlt, so verunsichert.
Wie schmerzlich sie ihre Mutter vermisste … Celeste Chase würde wissen, was ihr Kind empfand, was es tun sollte. Während Calliope und Clio die Töchter des Vaters waren, durch und durch, hatte Thalia sich der Mutter stets viel näher gefühlt, mit ihr eine gewisse Impulsivität geteilt, romantische Neigungen, die den beiden Altertumsforscherinnen fehlten. Ja, die Mutter wüsste, was sie ihr sagen müsste.
Aber Celeste war längst in einer anderen Welt – und Thalia auf sich selbst gestellt.
„Soll ich den Sprung ins Ungewisse wagen?“, murmelte sie. Sollte sie ihrem Impuls folgen oder auf Marco hören und ihn vergessen?
Es klopfte an der Tür, und ihre Zofe Mary betrat das
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