Geheimnis des italienische Grafen
beträchtlicher Verspätung hatte ihn ein Packen Briefe aus Florenz erreicht und seine Aufmerksamkeit verlangt.
Anscheinend war ein bewaffneter Aufstand keine Ausgeburt von Domenico de Luccas fiebriger Fantasie, sondern erschreckende Realität. Nun schmiedete die neapolitanische Garnison Pläne, die Marcos harte Arbeit bedrohten und sein Projekt um Jahre zurückwerfen würden.
So schnell wie möglich musste er nach Neapel reisen.
Aber er durfte Thalia nicht mitnehmen – jetzt noch nicht. Es wäre zu gefährlich, sogar für diese furchtlose, tapfere junge Dame. Aber vielleicht, wenn er seinen ganzen Charme aufbot, konnte er sie dazu überreden, auf ihn zu warten.
Solche Gedanken belasteten sein Gemüt, während er durch den Park eilte. Am Himmel krachten Feuerwerksraketen, untermalt von einem Triumphmarsch des Orchesters. Ohrenbetäubende Explosionen ließen grüne, goldgelbe und feurig rote Blüten, Sterne und Drachen herabregnen. In dichten Rauchwolken lösten sich die Figuren auf. Alle Anwesenden hatten voller Ehrfurcht und Bewunderung das Gesicht emporgewandt, die grellbunten Funken spiegelten sich in Diamanten und Perlen und kostbarer Seide.
Nirgendwo ließ sich Thalia blicken. Marco sah ihre Schwester in einem Alkoven sitzen und beschloss sie aufzusuchen.
In diesem Moment entdeckte er Lady Riverton. Sie stand im Schatten eines anderen Alkovens, außerhalb der gleißenden Lichter. Aber die hohen weißen Federn und der allgegenwärtige Turban waren unverkennbar.
Sie unterhielt sich mit einem hochgewachsenen, korpulenten Mann, den das nächtliche Dunkel dank seiner schwarzen Kleidung noch effektiver tarnte. Vielleicht hätte Marco ihn übersehen, wäre ihm nicht der helle Schimmer einer behandschuhten Hand aufgefallen, die Lady Rivertons Arm berührte. Mit ernster Miene nickte sie, um ihrem Gesprächspartner beizupflichten, was immer er sagen mochte.
Vorsichtig pirschte Marco sich näher an den Alkoven heran und spitzte die Ohren, um über dem Lärm des Feuerwerks die Worte der beiden zu verstehen. Doch sie redeten zu leise. Zu seiner Verblüffung erkannte er im Gefährten der Viscountess den überaus respektablen Lord Knowleton, den Leiter der Antiquities Society.
Was hatte sie ausgerechnet mit diesem Gentleman zu schaffen? Seine Lordschaft und die Society genossen bei allen Kunstsammlern und Wissenschaftlern einen hervorragenden Ruf – insbesondere, weil die Vereinsmitglieder als eifrige Verfechter korrekter Ausgrabungen galten. Zudem bekämpften sie energisch die illegalen Exporte von Fundstücken.
Auch die Chases gehörten der Society an, ebenso Clios Ehemann, der Duke of Averton. Sicher war keine dieser prominenten Persönlichkeiten in Lady Rivertons kriminelle Machenschaften verwickelt.
Andererseits fürchtete Marco, diese Beobachtung dürfte ihn nicht überraschen – gewiss nicht, wenn es um menschliche Habgier ging.
„… weiß ich nicht“, hörte er die Viscountess sagen, als er noch ein wenig näher heranschlich. „Wenn Sie behaupten, er würde keinesfalls …“
Ein Feuerwerkskörper explodierte mit einem besonders lauten Knall, der die beiden von ihrem Gespräch ablenkte.
Plötzlich beobachtete Marco, wie sich Lady Westwood durch das Getümmel drängte und sich hektisch umblickte. Als würde sie etwas suchen. Oder jemanden.
Marco eilte zu ihr. Gleichzeitig verließ Lord Knowleton den Alkoven und tauchte in der Menge unter.
„Guten Abend, Lady Westwood“, grüßte Marco und verbeugte sich. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Conte di Fabrizzi!“ Voller Sorge wandte sie sich zu ihm. „Oh, ich bin ja so froh, Sie zu treffen! Haben Sie zufällig Thalia gesehen?“
„Leider nicht“, antwortete er und runzelte die Stirn. „Ich bin eben erst hier angekommen. Und ich suche Thalia genauso wie Sie, Mylady.“
„Sie wurde von Signor de Lucca um einen Tanz gebeten und stimmte zu. Das hätte ich nicht erlauben dürfen, nach seinem abscheulichen Benehmen auf unserer Kartenspielparty. Aber er entschuldigte sich. Anscheinend wollte er alles wiedergutmachen.“
Vor lauter Entsetzen erstarrte Marco. „Was, sie hat mit de Lucca getanzt?“
Lady Westwood nickte. „Und sie kam nicht zurück, obwohl der Tanz schon vor langer Zeit beendet wurde. Mein Mann sucht sie schon seit einer ganzen Weile.“
„Offenbar hat er sie nicht gefunden.“ Die glanzvolle Gala, die bedeutsamen Briefe, die Marco erhalten hatte – alles verschwand im Nichts, und die Welt bestand nur mehr aus einem einzigen
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