Geheimnis des italienische Grafen
angefreundet, Signor de Lucca.“
Erneut schenkte er ihr dieses seltsame, angespannte, zu strahlende Lächeln. „In meinem Heimatland ist sie wohlbekannt, eine Förderin der italienischen Kunst.“
Eine Förderin. So kann man es auch sehen, überlegte Thalia. Die ersten Takte des neuen Tanzes erklangen, und sie knickste, bevor sie Domenicos Hand ergriff. „Kannten Sie Lady Riverton schon vor Ihrer Ankunft in Bath?“
„Nur dem Namen nach. In Italien genießt sie einen ausgezeichneten Ruf.“
„Und – wird sie diesem Ruf gerecht?“
Verwirrt hob er die Brauen. „Ganz sicher. Ihr Engagement für antike Kunstwerke ist unübertroffen. Natürlich abgesehen von dem Ihrer Familie, Signorina Chase.“
„Von meiner Familie?“
„In ganz Italien sind die Chase-Musen berühmt. Zweifellos wissen Sie das.“
„Nein, das wusste ich nicht. Gewiss, es ist sehr schmeichelhaft – aber etwas sonderbar.“
„Keineswegs. Nur selten findet man schöne junge Damen, die über eine so hervorragende Bildung verfügen. Nachdem ich Lady Westwood und Sie kennengelernt habe, stelle ich fest, dass die Geschichten, die man in Italien über Sie erzählt, keineswegs übertrieben sind. Der Conte ist zu beneiden.“
Nun wurden sie durch die Ausführung der vorgeschriebenen Tanzfiguren getrennt, andere Paare wirbelten zwischen ihnen umher. Als sich ihre Hände wieder fanden, bemerkte Thalia: „Soviel ich weiß, kennen Sie den Conte schon sehr lange.“
Obwohl sich seine Kinnmuskeln noch stärker anspannten, lächelte er unentwegt. Ebenso wie Thalia. Bald fürchtete sie, dieses Lächeln würde ihre Mimik versteinern.
„Seit unserer Schulzeit“, erwiderte Domenico. „Schon immer hatten wir sehr viel gemein. Allerdings interessierte sich Marco stets viel mehr für die Wissenschaft als ich. Während ich es vorzog zu handeln , wollte er immer nur lesen ! Und nachdenken!“
„Und was wird Ihrer großen Sache letzten Endes wirksamer dienen?“, murmelte sie. „Die Wissenschaft – oder Blutvergießen?“
Sie dachte, über der lauten Musik würde er die Worte nicht hören. Doch er warf ihr einen zornigen Blick zu, den er blitzschnell mit seinem krampfhaften Lächeln überspielte. „Nun, das müssen Sie entscheiden, Signorina, denn Sie werden den Conte bald heiraten, nicht wahr? So inständig hoffe ich, Sie werden ihn dazu bewegen, seinem Heimatland die Treue zu halten, seinem großartigen Erbe.“
„Nichts ist ihm wichtiger als dieses Erbe“, antwortete sie. „Für Italien und sein Volk will er nur das Allerbeste. Sicher wissen Sie das, nachdem Sie ihn schon so lange kennen, Signor de Lucca.“
„Früher dachte ich, ich würde ihn sehr gut kennen. Ich nahm sogar an, er würde meine Cousine Maria heiraten, ebenfalls eine intelligente, hochgebildete junge Dame. So ähnlich wie Sie, Signorina Chase.“
„Was?“, wisperte Thalia. Also war Marco schon einmal verlobt gewesen? Hatte er eine junge Italienerin geliebt? Und waren wegen dieser mysteriösen Maria Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Freunden entstanden?
Noch eines von den vielen Dingen, die sie nicht über Marco wusste …
„War er mit Ihrer Cousine verlobt?“, fragte sie angespannt.
„Bedauerlicherweise kam es nicht dazu, weil Maria einen tragischen Tod fand – in viel zu jungen Jahren.“ Nun nahm sein Lächeln traurige Züge an. „So verzweifelt war Marco. Damals dachte ich, er würde nie mehr eine Frau lieben. Umso glücklicher muss mein alter Freund sich schätzen, nachdem er Sie gefunden hat, Signorina Chase. Anscheinend mag er Sie sehr gern.“
Sehr gern.
Was für unzulängliche Worte für die geheimen Ereignisse im Dunkel der Nacht, für ihre Gefühle, tief verborgen in ihrem Herzen … Aber genügte ihre leidenschaftliche Liebe, um eine falsche Verlobung in eine richtige zu verwandeln?
„Ja, wir freuen uns auf unsere gemeinsame Zukunft“, bemerkte sie schließlich.
„Eine Zukunft in Florenz? Oder beabsichtigt Marco, in England zu bleiben – ein gut geschultes italienisches Schoßhündchen für die Familie Chase?“
Abrupt hatte Domenicos höfliche Stimme einen scharfen Klang angenommen. Verwirrt schaute sie zu ihm auf und entdeckte einen eigenartigen neuen Glanz in den blauen Augen.
„Dass irgendjemand ein Schoßhündchen aus Marco machen kann, bezweifle ich …“, entgegnete sie langsam und gedehnt.
„Ah, Sie unterschätzen Ihre Reize, Signorina Chase. Ich glaube, Sie könnten ihn sehr wohl von allem ablenken, was er seinem
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