Geheimnis des Verlangens
kein strafender Kuss , aber er war auch zu leidenschaftlich für sie, als dass sie in ihrer Unschuld daran Gefallen finden konnte. Sie war wie betäubt. Warum stieß er nicht zu, mit diesen gewaltigen Fäusten?
Und dann wusste sie es, instinktiv, dass es nicht seine Fäuste waren, mit denen er auf sie einstoßen würde, sondern sein Körper. Ein erleichtertes Lachen schäumte in ihr auf, aber es erreichte nicht einmal ihre miteinander verschmolzenen Lippen. Und der Drang zu lachen verging ebenso schnell, wie er gekommen war. Es lag keine Verspieltheit in diesem Kuss , kein sinnliches Forschen — und nicht die kleinste Chance für sie, dem Kuss ein Ende zu machen, falls sie das wünschte. Er verfolgte sein Ziel mit tödlichem Ernst. Er war entschlossen, sie zu lieben — im Zorn!
Sie begann ihn zu bekämpfen, mit allem, was ihr zu Gebote stand. Und das war nicht besonders viel, da sie sich unter dem Gewicht seines Körpers kaum rühren konnte. Außerdem schien er überhaupt nichts zu spüren, weder ihre Fausthiebe, noch das Zerren an seinen Haaren und ganz gewiss nicht ihre hilflosen Versuche, ihn von sich wegzuschieben. Er hörte nicht auf, sie zu küssen, sondern nahm ihren Mund immer mehr in Besitz. Sein Atem wurde ihr Atem, so wie der Geschmack seines Mundes sich mit dem ihren mischte. Es war lähmend, verzehrend, aber auch erregend. Ihr wilder Kampf gegen ihn hatte all ihre Kräfte und ihre ganze Energie erschöpft, und sie war jetzt wehrlos seinem leidenschaftlichen Ansturm ausgeliefert.
Aber sie hatte Angst. Viele Jahre lang war es ihr gelungen, dieser Art Kontakt mit einem Mann aus dem Weg zu gehen, und sie hatte alles in ihrer Macht Stehende getan, um ihre Reize vor den Männern zu verbergen. Aber dieser hier wollte sie trotz ihres Aussehens, und er würde sie nehmen, gegen ihren Willen. Sie war nicht einmal mehr sicher, ob er im Augenblick überhaupt noch wusste , was er tat. Diese Tatsache ängstigte sie mehr als alles andere. Er war zu leidenschaftlich, zu sehr außer Kontrolle in seinem rasenden Zorn. Er schien sich nicht einmal ihres Widerstandes bewußt zu sein.
Und er war so heiß! Statt feuchter Kälte von seinem unfreiwilligen Bad verströmte er eine Hitze, die in Wellen ihre eigenen Kleider durchtränkte. Die nassen Dunstschwaden seines Körpers ließen die Barriere ihrer Hemden wie nichts zwischen ihnen erscheinen ... Gnade ihr Gott, sie begann, ganz andere Dinge zu fühlen als Angst!
Das erste Eintauchen des riesigen Schaufelrades setzte die Lorelei in Bewegung; es war heftig genug, um Stefans Aufmerksamkeit von ihr abzulenken. Plötzlich gehörte Tanyas Mund wieder ihr selbst, und nichts hinderte sie daran, laut zu schreien oder ihm Vorwürfe zu machen. Aber sie gab keinen Laut von sich, denn er starrte auf sie herab. Seine Augen glühten immer noch, und sein Blick war so durchdringend, dass sie es nicht einmal wagte zu atmen — aus Angst, seine ohnehin nur dürftige Selbstkontrolle damit ins Wanken zu bringen. Aber was hielt er eigentlich unter Kontrolle? Sie konnte nicht erkennen, welches Gefühl ihn noch immer gefangenhielt, welche Leidenschaft er zu bändigen versuchte — den Wunsch, sie zu nehmen, oder den Drang, sie zu schlagen.
Und dann drehte er seinen Kopf ein wenig, um seine Hände zu betrachten. Die eine hielt ihr Haar in der geballten Faust, die andere umklammerte ihr Handgelenk. Noch im selben Augenblick ließ er ihre Hand los, als wäre sie plötzlich so heiß geworden, dass er sich an ihr verbrannte. Gleichzeitig stemmte er sich mit einem Arm hoch.
»Geht!« befahl Stefan. »Macht, dass Ihr wegkommt, bevor ...«
Sie brauchte keine weitere Aufforderung und war dankbar dafür, dass er nicht weitergesprochen hatte, weil sie lieber nicht wissen wollte, was nach diesem >Bevor< kam. Er machte es ihr jedoch nicht leicht, ihm zu entkommen. Immer noch lag er halb über ihr und machte nicht den geringsten Versuch, sich zu bewegen. Aber sie schaffte es trotzdem, sich unter ihm wegzuziehen. Nur ihr mittlerweile durchweichter Rock bereitete ihr einige Schwierigkeiten, und sie musste erst heftig daran zerren. Noch im selben Augenblick, als der Stoff nachgab, rollte sie an den Rand des Bettes — ungefähr eine Sekunde zu spät.
»Nein, bei Gott!« hörte sie seine Stimme hinter sich, und seine Hand fing ihren Rock auf, bevor sie ihn hinter sich herziehen konnte, zwang sie mit einem Ruck, dort zu blei ben, wo sie war. »Ihr sollt wenigstens das bekommen, was Ihr Euch verdient
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