Geheimnis des Verlangens
trotzige Natur hat mir regelmäßig Schläge eingetragen. So etwas härtet ab, die Seele genauso wie das Fleisch.«
Ihn beschäftigte weniger das, was sie sagte, als die Bedeutung, die diese Worte für ihn hatten. Sie hatte nicht geweint. Es war sogar zweifelhaft, ob er ihr überhaupt weh getan hatte.
Er fragte sie danach. »Habt Ihr überhaupt etwas von meinen Schlägen gespürt?«
»Natürlich.« Als seine Augen schmal wurden, fügte sie hinzu: »Nun ja, nicht viel.«
Er stand so schnell auf, dass sie von seinem Schoß direkt auf dem Fußboden landete. »Wenn das nicht... Was ich durchgemacht habe ... Verdammtes, unverschämtes Weibsbild! Eure Haut ist also so zäh wie Leder, ja?«
»Wollt Ihr jetzt doch einen Stock holen?«
»Nein!«
»Wozu dann die ganze Aufregung? Oh, ich verstehe. Ihr glaubt doch nicht, dass ich das noch einmal mitmachen möchte, oder?«
»Warum nicht?« erwiderte er mit triefendem Sarkasmus. »Du hast doch nichts gespürt.«
»Und ob ich es gespürt habe«, brummte sie, während sie sich vom Fußboden aufrappelte und begann, ihre Kehrseite zu reiben. Dann besann sie sich eines Besseren. »Es hat nur nicht so viel Schaden angerichtet, wie das, was ich sonst gewöhnt bin.«
Stefan versteifte sich, während ihm langsam die volle Bedeutung ihrer Worte aufging. »Heiliger Jesus! Er hat Euch geschlagen ?«
Sie blinzelte, als hätte sie seine Frage nicht verstanden, und er wiederholte sie. »Hat Mr. Dobbs Euch geschlagen, Tatiana?«
»Ich dachte, das hätte ich bereits erwähnt. Außerdem habe ich Euch auch schon mal gesagt, dass ich diesen Namen nicht mag.«
»Zum Teufel mit dem Namen!« fuhr er sie gereizt an. »Wie hat Dobbs Euch geschlagen?«
»Was spielt das denn für eine Rolle? Ein Stock, eine Hand, die Absicht war doch immer dieselbe — mir weh zu tun.«
In diesen Worten lag eine ungeheure Bitterkeit, die Stefan nur allzugut verstand. Bitterkeit war auch sein ständiger Begleiter.
»Es tut mir leid, dass ich Eurem Leben ein weiteres unschönes Erlebnis hinzugefügt habe, Tanya. Es war nicht meine Absicht, Euch weh zu tun ...«
»Ja, das Ganze war sicher nur als Scherz gedacht«, schnaubte sie verächtlich.
»...sondern nur, Euch eindrücklich klarzumachen, dass Ihr besser nicht noch einmal versuchen solltet, uns zu verlassen.«
»Ihr könnt davon ausgehen, dass es Euch gelungen ist.«
Sie würde ihm also nicht einmal erlauben, sein Gewissen mit einer Entschuldigung zu erleichtern. Ihm sollte es recht sein. Er wollte gar nicht vergessen, wozu er sich von seinem Temperament diesmal hatte hinreißen lassen. Wenn sie ihre Lektion nicht gelernt hatte, er hatte es hoffentlich getan.
»Es ist unerträglich, was das Schicksal Euch angetan hat«, sagte er erbittert. »Ihr hättet eine freundlichere Jugend haben sollen. Um das sicherzustellen, hat man Euch der Baronin Tomilova übergeben, sowie ein wahres Vermögen zu Eurem Unterhalt. Sie hätte Euch sorgfältig in den Pflichten unterwiesen, die Euch als Königin von Cardinia erwarten, die höfische Etikette ...«
»Wenn Ihr es nicht auf einen neuen Krach anlegt«, unterbrach ihn Tanya kalt »dann tut uns beiden den Gefallen und hört mit diesem Theater auf. Ich habe für einen Tag wirklich genug von diesem Märchen gehört; mehr vertrag' ich einfach nicht.«
»Also schön — wenn Ihr mir erklärt, warum Ihr es nicht glaubt.«
»Weil solche Dinge einfach nicht passieren. Eine verlorene Prinzessin, Stefan? Weiß der Himmel! Wie kann man eine so wichtige Person wie eine Prinzessin einfach >verlegen«
»Durch Geheimhaltung und falsche Zuversicht. Es durfte keine Verbindung zu Euch geben, weil das für Euch hätte tödlich sein können. Man ist bei Hof davon ausgegangen, dass so für Euch gesorgt würde, wie es Euer Rang verlangte. Die Baronin hätte Euch auch erklärt, an wen Ihr Euch um Hilfe wenden konntet, falls ihr etwas zustoßen sollte. Aber wer hätte denn ahnen können, dass sie sterben würde, noch bevor Ihr alt genug wart, um auch nur zu wissen, wer Ihr seid.«
»Ihr habt wirklich für alles eine Antwort parat«, erwiderte sie ärgerlich.
Dieser Temperamentsausbruch entlockte ihm ein Lächeln. »Das ist ganz normal, wenn man die Wahrheit sagt.«
»Genug!«
Jetzt lachte er. »Sehr gut, Prinzessin. Wenigstens habt Ihr eindeutig ein Talent zum Befehlen. Den Rest werdet Ihr schnell genug lernen.«
Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und starrte ihn an, eine Geste, mit der sie ihn vermutlich zum Schweigen
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