Geheimnis des Verlangens
Unterhaltung überhaupt stattgefunden hatte.
»Genug!« sagte sie in demselben Kommandoton, den sie bei Stefan gehört hatte. Vasili zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Ich weiß nicht, warum Ihr glaubt, diese Farce aufrechterhalten zu müssen, aber Ihr und ich, wir wissen doch beide, dass Ihr mich nicht in der Nähe haben wollt, egal, wohin die Reise geht. Also warum habt Ihr mich nicht einfach laufenlassen?«
»Pflicht vor Neigung, Prinzessin«, erwiderte er einfach. »Das werdet Ihr auch noch lernen.«
»Den Teufel werd' ich tun!«
Wieder zuckte er mit den Schultern, dann bedeutete er Sascha, den Raum zu verlassen. Er selbst ging ebenfalls, hielt an der Tür jedoch noch einmal inne und schenkte Tanya ein bösartiges kleines Lächeln.
»Stefans Mätresse erzählt gern überall herum, wie er regelmäßig seine Wut an ihr ausläßt, ob sie's verdient hat oder nicht. So, wie sie es darstellt, stößt er ihr bei solchen Gelegenheiten fast die Seele aus dem Leib. Ihr werdet wohl nicht mehr lange warten müssen ...«
Was für eine diabolische Grausamkeit von ihm, sie mit diesem letzten Hieb allein zu lassen! Aber schließlich war Vasili wohl auch der hassenswerteste Mann, dem sie je in ihrem Leben begegnet war. Erstaunlicherweise fand sie ihn sogar noch abscheulicher als Dobbs, und das wollte etwas heißen. Dobbs hatte sie wenigstens nur geschlagen und sich dann wieder seinen Geschäften zugewandt, ohne einen weiteren Gedanken an sie oder seine Strafe zu verschwenden. Vasili dagegen ließ sich keine Gelegenheit entgehen, ihr seine giftigen Stacheln ins Fleisch zu bohren. Und da erwarteten sie auch noch, dass sie in Entzücken ausbrach, diesen Esel heiraten zu dürfen? Diesen Duckmäuser? Sie hätten ihr sagen sollen, Lazar sei der König oder Stefan. Stefan...
Er hatte also eine Mätresse, ja? Was für eine Sorte Frau würde sich wohl von diesem launischen, dunklen Teufel lieben lassen? fragte sie sich. Du hättest es beinahe selbst getan, Missy. Du warst so in seinen Kuss verloren — es hätte alles aus und vorbei sein können, noch bevor du überhaupt gemerkt hättest, was da passiert.
Dieser Gedanke trieb ihr flammende Röte in die Wangen. Ihr einziger Trost war, dass diesmal wenigstens niemand da war, der ihr Erröten beobachten konnte.
Kapitel 14
D ie Lorelei zählte zu den größten Flußdampfern, die den Mississippi befuhren; es war ein Doppeldecker mit einem geräumigen Speisesaal, einem separaten Spielzimmer, einer kleinen Bücherei und gut ausgestatteten Kabinen. Die Kabine, in die Vasili Tanya gebracht hatte, war mittelgroß und damit auf jeden Fall viel größer als ihre Schlafkammer zu Hause. Und viel, viel hübscher.
Eine mit einem Blumenmuster verzierte Steppdecke lag auf dem Bett, und weiße Spitze schmückte den Tisch daneben. Auf dem Tisch stand eine wunderschöne Lampe aus buntem Glas. Die Lampe hatte bereits gebrannt, als Vasili sie hierhergebracht hatte, da die Kabine keine Luken besaß. Auf dem Boden lag ein dichtgewebter Teppich mit einem orientalischen Muster. In der Ecke stand eine reich mit goldenen Blättern auf weißem Untergrund bemalte Waschschüssel, daneben ein Krug aus feinstem Porzellan. Darunter lagen, säuberlich aufgestapelt, flaumige, weiße Handtücher, die alle mit einem Monogramm bestickt waren: L für Lorelei.
Außerdem entdeckte Tanya noch ein Regal an einer der Wände, auf der man seine eigenen Sachen unterbringen konnte. An der gegenüberliegenden Wand lagen überein-andergestapelt zwei Schrankkoffer. Um Sachen hineinzutun? Oder gehörten sie einem der Männer? Darüber hinaus verfügte die Kabine auch noch über einen einzelnen, gut gepolsterten Armsessel. Wenn man ihn zu dem kleinen Tischchen mit der Lampe hinüberzog, würde man wunderbar dort sitzen und lesen können. Wann hatte Tanya jemals Zeit für einen solchen Luxus gehabt, seitdem Iris ihr das Lesen beigebracht hatte? Heutzutage las sie nur noch Geschäftsbücher und die Rechnungen, die ins Haus kamen.
Die Tür war aus massivem Holz und natürlich verschlossen. Das war das erste, was sie herausgefunden hatte, bevor sie sich in der Kabine umsah. Einen Augenblick lang hatte sie erwogen, mit den Fäusten dagegen zu hämmern, aber das hätte Stefan vielleicht um so eher herbeigerufen. Also ließ sie es bleiben.
Sie hatte sich in den Sessel gesetzt und spürte jetzt, wie ihre bösen Vorahnungen sich langsam immer höher vor ihr auftürmten. Aber sie war keineswegs völlig entmutigt. Also gut, auch ihr
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