GEHEIMNISSE DER NACHT
ihn die ganze Nacht von der örtlichen Polizei festhalten zu lassen, fehlgeschlagen war.
Es war sehr dunkel, wie im Freien in einer ruhigen Nacht, in einem dichten Nebel. Um sie herum wirbelten Dünste, und Morgan schwebte im Nichts, ohne den Willen oder die Stärke, sich zu bewegen. Eine junge Frau mit strubbeligen blonden Haaren kam aus dem Nebel geschwebt und sah Morgan an. „Hey. Ich kenne dich.“
Morgan schüttelte langsam den Kopf. „Nein.“
„Doch. Du bist es. Ich habe gehört, wie Maxine von dir erzählt hat.“
Morgan hob langsam den Kopf. „Du kennst Maxine?“
„Du bist die lange vermisste Schwester, richtig?“ Die blonde Frau lächelte. Aber dann erstarb ihr Lächeln. „Maxine sagt immer, ich soll zurückkommen. Und ich will auch zurück. Aber ich kann den Weg nicht finden.“
Morgan seufzte. Sie war zu müde, selbst um zu nicken. „Ich kenne den Weg“, erwiderte sie. Ihre Worte kamen langsam, mehr ein Seufzen als ein Satz, und auch das nur mit viel Mühe. „Aber ich habe keine Kraft.“
Die Blonde legte den Kopf zur Seite. „Sag mal, meinst du, wir könnten einander helfen? Zusammenarbeiten, meine ich?“
„Ich glaube nicht, dass es so funktioniert. Ich muss sterben. Das habe ich immer gewusst.“
„Ich glaube nicht. Ich meine, hast du gesehen, wie schnell einige hier durchgehen?“
Lieber Gott, ihr Kopf war so schwer. So müde. „Ich habe niemanden gesehen.“
„Was soll das heißen? Natürlich hast du. Schau! Da kommt gerade jemand!“
Morgan sah nur einen Lichtstrahl, der durch den tiefen blauen Hintergrund der wirbelnden silbrigen Nebel raste. „Ich dachte, das wären Sternschnuppen.“
„Eben nicht. Ich habe die beobachtet. Ich glaube, sie sind wie wir. Nur wissen die, wohin sie gehen müssen. Und wir stecken irgendwie fest. Weil wir nicht vorankommen. Das muss etwas bedeuten. Oder nicht?“
Ihr Schulterzucken war nur eine winzige Andeutung. Sie war zu müde, um sich Gedanken zu machen.
„Hör zu, ich kann dir helfen. Ich bin stark, ich habe mich nur verlaufen. Ich helfe dir, und du zeigst mir den Weg. In Ordnung?“
„Ich … kann nicht.“
„Klar kannst du.“
Die blonde Frau beugte sich hinab und fasste Morgans Hand. Merkwürdigerweise schien durch diese Berührung Energie in Morgan zu fließen, eine Quelle des Lebens. Die Frau zog sanft an ihr, und Morgan erhob sich, schwerelos.
„Und jetzt“, fragte sie, „wo geht es lang?“
Morgan kam nur langsam zu sich, unsicher, was vor sich ging, sie wusste nur, sie sehnte sich nach Dante. Wo war er? Warum war er nicht zu ihr gekommen?
Sie konnte ihren Kopf nicht heben, um sich im Krankenhauszimmer umzusehen, und sie hörte Geräusche nur entfernt, als wäre alles gedämpft. Sie sah durch vernebelte Augen, wie ihre Schwester Maxine mit Lydia und David sprach.
„Sie bringen Lou gleich in die Notaufnahme. Bitte geht runter und wartet auf ihn. Und wenn … wenn es richtig schlimm ist, kommt mich holen. Wenn nicht …“
„Wir verstehen schon“, sagte David ernst. „Pass auf dich auf, Maxine.“
Maxine nickte, und Morgan fragte sich, was los war. Was war mit Lou Malone passiert? Und warum hatte David das Bedürfnis, Maxine zu warnen?
Wahrscheinlich hatte er Angst, dass Dante zu ihr kommen würde. Oh Gott, dachte Morgan verzweifelt, bitte lass ihn zu mir kommen!
Nachdem David und Lydia den Raum verlassen hatten, öffnete Maxine die Schranktür, stieg hinein und schloss sie hinter sich.
Was in aller Welt …?
Morgan wartete scheinbar ruhig, doch ihr Herz klopfte wild. Die Lichter waren alle aus. Das Leuchten der vielen Monitore, die um ihr Bett standen, gab der Haut an ihren Händen einen leichten Grünstich. Es schien Morgan, als könne sie jedes Ticken der Uhr hören, während sie wartete, wartete und sich fragte, was ihre Schwester vorhatte.
Plötzlich öffnete sich das Fenster. Eine sanfte Brise bewegte die Vorhänge, die wie Gespenster tanzten. Dann kletterte eine dunkle Gestalt ins Zimmer. Morgans Herz machte einen Sprung, als Dante leichtfüßig auf dem Boden landete. Ein Blick von ihm, und alles in ihr schien zu singen. Sie wollte lachen, weinen, aufspringen und sich in seine Arme werfen, aber sie konnte sich nicht bewegen, sie konnte nicht einmal sprechen. Eine Träne trat ihr in die Augen und rollte ihre Wange hinab. Dante bemerkte sie, und es schien Morgan, als wäre da Liebe in seinen Augen, als er an ihre Seite eilte, ohne sich umzusehen. Seine lange, schlanke Hand strich Morgan das Haar aus
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