Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
1944.
Bundesarchiv Koblenz (Bild 101I-298-1763-09, Foto Scheck)
Als der Angriff der Alliierten auf Europa in den Morgenstunden des 6. Juni 1944 begann, befand sich Rommel zu Hause bei seiner Familie – die Meteorologen hatten eine Schlechtwetterlage vorhergesagt, die einen Landungsversuch für mehrere Tage auszuschließen schien. Zum zweiten Mal in seiner Karriere war Rommel im entscheidenden Moment nicht an der Front. Erst am späten Abend des »längsten Tages« kehrte der inzwischen zum Befehlshaber der Heeresgruppe B aufgestiegene Feldmarschall in sein Hauptquartier La Roche-Guyon zurück. Wertvolle Stunden waren verstrichen, weil die Verantwortlichen sich nicht einigen konnten: War dies nur ein Ablenkungsmanöver oder der erwartete Hauptstoß? Als endlich klar wurde, dass man es tatsächlich mit dem lange gefürchteten Großangriff auf die »Festung Europa« zu tun hatte, war es längst zu spät: Die Landungstruppen der Alliierten hatten mehrere ausgedehnte Brückenköpfe erkämpft, während heftige Angriffe der britischen und amerikanischen Luftwaffe die Verlegung der zum Teil hunderte Kilometer weit entfernten Panzer an die bedrohten Frontabschnitte nahezu unmöglich machte.
»Die Truppe kämpft allerorts heldenmütig, jedoch der ungleiche Kampf neigt dem Ende entgegen. Es ist meines Erachtens nötig, die Folgerungen aus dieser Lage zu ziehen. Ich fühle mich verpflichtet als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe, dies klar auszusprechen.«
Rommel, »Betrachtungen zur Lage«, 15. Juli 1944
»Tag der Entscheidung«: Als am 6. Juni 1944 die alliierte Invasion in der Normandie begann, weilte Rommel bei seiner Familie in Deutschland.
Getty Images, München (Time & Life Pictures)
In den darauffolgenden Tagen erkannte Rommel, dass der Vormarsch der Westalliierten nicht mehr aufzuhalten war. In ihm reifte nun der Gedanke, dass in dieser Lage versucht werden müsse, Verhandlungen mit den Westmächten aufzunehmen. Diese sollten das Ziel haben, im Westen einen Waffenstillstand zu erreichen, um sich anschließend – möglicherweise sogar gemeinsam mit Briten und Amerikanern – nach Osten zu wenden und dem als Bedrohung für ganz Europa angesehenen Bolschewismus entgegenzutreten. Heute wissen wir, dass die Hoffnung, einen Keil in die Anti-Hitler-Koalition treiben zu können, zu diesem Zeitpunkt vollkommen illusorisch war. Damals erschien sie Männern wie Rommel als eine letzte Chance, den befürchteten Untergang des Deutschen Reichs noch abzuwenden. Es muss Rommel jedoch auch klar gewesen sein, dass ein solcher Schritt – wäre er von Erfolg gekrönt gewesen – in Deutschland eine neue Dolchstoßlegende nach dem Vorbild von 1918 geschaffen hätte.
»Es ist nötig, die Folgerungen aus der Lage zu ziehen«: In einer Denkschrift vom 15. Juli 1944 legte Rommel seine Einschätzungen dar.
Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart
Während einer Lagebesprechung am 17. Juni 1944 äußerte Rommel gegenüber Hitler, dass man auf politischem Wege zu einem Ende des Kriegs im Westen kommen müsse. Dies gehöre nicht zu seinen Obliegenheiten, fuhr Hitler seinen General hart an: Mit ihm, Hitler, schließe niemand Frieden – um dann jedochmit gespielter Freundlichkeit von V-Waffen und Strahljägern zu fabulieren, mit deren Hilfe die Kriegswende in absehbarer Zeit erzwungen werde. Noch einmal gelang es dem Diktator, Rommel mit diesen Worten auf seine Seite zu ziehen, doch die Konfrontation mit der harten Kriegsrealität ließen bei diesem bald endgültig alle Illusionen verfliegen. Am 29. Juni unternahm er auf Hitlers Berchtesgadener Refugium »Berghof« einen letzten Versuch, den Kriegsherrn von der Notwendigkeit einer politischen Lösung zu überzeugen. Doch der ließ ihn nichtmehr zu Wort kommen und verwies ihn schließlich des Raums.
Es war das letzte Mal, dass sich der »Führer« und sein »Lieblingsgeneral« persönlich gegenüberstanden.
Rommel hat klargemacht, dass der Krieg als solcher verloren war und zu einem Ende gebracht werden musste. Das war das Stärkste, was er als aktiver Militär sagen konnte. Seine berühmte Feststellung gipfelte im Satz: »Es muss ein politisches Ende gesucht werden.«
Meinhard Glanz, Soldat des DAK, später Bundeswehrgeneral
In Augenzeugenberichten ist die Rede davon, dass Rommel in den darauffolgenden Tagen mehrfach erklärt habe, die Westfront »aufmachen« zu wollen, um dafür zu sorgen, dass Briten und Amerikaner vor den Russen in Berlin einmarschierten. Dabei habe
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