Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
SS und andere NS -Organisationen – sie planten unabhängig voneinander und häufig gegeneinander, vor allem darauf bedacht, die eigene Machtposition zu stärken. Es herrschte das Kompetenzchaos, das charakteristisch war für die Struktur des »Dritten Reichs«. Auf den ersten Blick schien die NS -Diktatur zentralistisch organisiert, tatsächlich waren die Entscheidungsstrukturen des nationalsozialistischen Herrschaftssystems durch Ämtervielzahl und Funktionenwirrwarr gekennzeichnet. Alles war nur auf den »Führer« ausgerichtet. Nur diese zentrale Machtinstanz konnte entscheiden: Endkampf in der Reichshauptstadt oder Aushalten in der »Alpenfestung«?
»Ein letztes Bollwerk fanatischen Widerstands«
Am 9. April 1945 war es so weit. Der Tiroler Gauleiter Hofer wurde zur Lagebesprechung nach Berlin befohlen. In zwei Gesprächen warb er beim »Führer« für seine Idee einer »Alpenfestung«, schilderte die militärischen Chancen und drängte: Schnell müsse es gehen und mit dem Einsatz aller verfügbaren Mittel. »Ganz oder gar nicht« – lautete die zentrale Forderung. Schon in seinem Memorandum im November hatte er erklärt: »Halbe Maßnahmen würden den Verlust des ganzen Aufwandes an Material, Arbeitskraft und Geld bedeuten, denn der Gegner würde dann sich nicht nur zu keinem Gespräch bereitfinden, sondern es würde auch im Ernstfall eine derartige Anlage wertlos sein.« Der Tiroler Gauleiter spekulierte auf den Abschreckungseffekt einer »Alpenfestung«. Eine Drohung sollte es werden, ein Faustpfand zur Erreichung des eigentlichen Ziels: Verhandlungen mit dem Westen.
Mit der Alpenfestung, vor der die Alliierten eine Höllenangst haben, besitzen wir ein Faustpfand, das uns zu Forderungen berechtigt. Kurz gesagt: Die Alpenfestung kann nur zu Höchstpreisen angeboten werden.
Franz Hofer am 22. April 1945 im Hauptquartier der deutschen Streitkräfte in Italien
Es war eine der irrwitzigsten Hoffnungen in einer an irrealen Ideen reichen Endphase des Krieges: der Glaube, die Koalition der Gegner könne zerbrechen und der Westen würde gemeinsam mit dem bisherigen Kriegsgegner die »bolschewistische Gefahr« bekämpfen. »Mit jedem Schritt der Russen näher an Berlin heran werden die Westmächte einen Schritt näher zu einem Kompromiss gebracht«, glaubte nicht nur Ritterkreuzträger Gerhardt Boldt, der die letzten Tage in der Reichskanzlei miterlebte.
Durch das Gelände und im Süden auch durch Ausbau starker Kernfestungen dem Ansturm des Feindes bis zum letzten Mann standhalten.
Führerbefehl zur »Alpenfestung«
Doch mit der Realität hatte die Situation im Führerbunker im April 1945 nichts mehr zu tun. Hitler klammerte sich an jeden Strohhalm. Auch an diesen. So lehnte er zwar Hofers Angebot ab, in dessen Privatbunker umzuziehen, aber er gab am 12. April den offiziellen Befehl zum Ausbau einer »Kernfestung Alpen«. Erst von diesem Tag an konnte erstmals offiziell von einer »Alpenfestung« gesprochen werden, mit der Hitler seine Herrschaft retten wollte. Bis zur Kapitulation sollten keine vier Wochen mehr verstreichen.
Nach Hitlers Ja wurde unverzüglich eine Reihe von Befehlen auf den Weg gebracht, um die organisatorischen Voraussetzungen für den Kampf in den Alpen zu schaffen. Am 14. April erhielt der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe C, Generaloberst Heinrich von Vietinghoff-Scheel, den Auftrag, in den südlichen Alpen den Stellungsausbau voranzutreiben. Kurz darauf wurden die Generäle Georg Ritter von Hengl, ein treuer Gefolgsmann Himmlers, und Julius Ringel zu Kommandeuren in noch genauer zu benennenden Bereichen der nördlichen Alpen ernannt. Sie sollten von der Schweizer Grenze über Berchtesgaden bis in die Steiermark hinein eine »Alpenfestung« aufbauen und verteidigen. Eine Herkulesaufgabe für die beiden erfahrenen Gebirgstruppenkommandeure. Während im Süden bereits erhebliche Anstrengungen liefen, begannen im Norden nun erst die genaueren Planungen. Entworfen wurde manches, realisiert fast nichts.
Die Alpenfestung muss als letztes Bollwerk unseres fanatischen Widerstands sofort auf das Stärkste ausgebaut werden.
Hitler am 24. April 1945 im »Führerbefehl betr. Alpenfestung«
Parallel dazu erhielten die Gauleiter im Süden von Bormann detaillierte Anweisungen: »Der Ausbau ist so durchzuführen, dass, wo starke Angriffe mit Panzern möglich sind, ein durchgehendes Panzerhindernis und ein durchlaufendes tiefgegliedertes Stellungssystem entsteht.« Die Arbeiten sollten von der
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