Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
ein völliger Defätismus bei der Führung, die von oben herunter zerfressen ist.«
»Moralischer Welterfolg«: Während Generalfeldmarschall Schörner (links) Hitler riet, die Hauptstadt zu verlassen, plante Propagandaminister Goebbels den großen Showdown in Berlin.
AKG Images, Berlin (N.N.)
Einen letzten Versuch unternahm Martin Bormann, der Albert Speer am 23. April auf dessen Weg in die Reichskanzlei eindringlich bat: »Es ist höchste Zeit, dass er in Süddeutschland das Kommando übernimmt. Sie werden ihm doch zureden, abzufliegen?« Speer entschied sich anders. Auf eine entsprechende Frage Hitlers antwortete er: »Ich finde es besser, Sie beenden Ihr Leben als Führer hier in der Hauptstadt als in Ihrem Wochenendhaus.«
Die treibende Kraft hinter Hitlers Entschluss war Joseph Goebbels. Der intelligente Zyniker wusste seit Langem, dass der Krieg verloren war. In dieser aussichtslosen Situation plante der PR -Fachmann den großen Showdown. Und die Bühne für diesen Abschied durfte nicht in der Provinz stehen, der letzte Vorhang konnte nur in der Hauptstadt fallen – nur hier, so gaukelte es Goebbels seinem »Führer« vor, könne er »einen moralischen Welterfolg« erzielen.
Kein Wunder also, dass der Propagandachef von Anfang an ein entschiedener Gegner der »Alpenfestung« war – sowohl in der internen Diskussion und erst recht in der gelenkten öffentlichen Meinung. Bereits am 8. März hatte er intern kritisiert, »dass Keitel schon 110 Züge zur Evakuierung des OKW und des OKH « habe bereitstellen lassen. In der gleichgeschalteten Presse war der Begriff »Alpenfestung« tabu. Im führenden NS -Desinformationsblatt, dem Völkischen Beobachter , fiel der Begriff kein einziges Mal. In der letzten in München erschienenen Ausgabe war am 28. April lediglich von der »Festung Bayern« die Rede.
Aus politischen Gründen ist es nicht erwünscht, die Bildung dieser Operationszone bekanntzugeben.
Kriegstagebuch des OKW vom 7. Januar 1944 zu Bauarbeiten im Alpenvorland
Das Totschweigen nach innen verhinderte nicht, dass Goebbels nach außen sehr wohl auf der neuen Bedrohungsklaviatur spielte. Gegenüber dem Ausland baute er in machtvollen Akkorden die »Alpenfestung« zu einer gefährlichen Bedrohung aus. Bereits zum Jahresende 1944 hatte er in seinem Propagandaministerium eine eigene Abteilung gebildet, die nur einen Auftrag hatte: Meldungen über den Fortschritt beim Bau der angeblichen Festung zu erfinden. Die Fachleute für Propaganda ließen in den Bergen unterirdische Fabriken erstehen, die nur auf dem Papier existierten. Sie setzten Geistereinheiten in Marsch, die ihre felsenfesten Stellungen nie beziehen sollten. Und sie entwarfen detaillierte Baupläne, die keine Aussicht auf Verwirklichung hatten. All dies wurde auf verschiedenen Wegen ausländischen Journalisten oder Geheimdiensten zugespielt. Mit Unterstützung von Himmlers Sicherheitsdienst ließen sich zumindest die Amerikaner täuschen. Sie glaubten, was sie glauben wollten, nicht ahnend, dass sie dem größten Lügner des »Dritten Reichs« auf den Leim gingen.
Ich werde vielleicht nicht mehr hierher zurückkehren.
Hitler am 14. Juli 1944 bei der Abfahrt vom Berghof
Goebbels erreichte beide Ziele: Er täuschte den Westen, dem er die Gefahr einer »Alpenfestung« vorgaukelte, und er überzeugte seinen »Führer«, dass der noch mögliche Umzug in die Bayerischen Alpen kein Ausweg sein könne und er in Berlin bleiben müsse.
Das Ergebnis der Goebbels’schen Überzeugungsarbeit schlug sich im Kriegstagebuch des OKW unter dem Datum des 22. April 1945 nieder: »Der Führer entschließt sich, für seine Person nicht nach Süden auszuweichen, sondern den Kampf um Berlin persönlich zu führen und in der Reichskanzlei zu bleiben.« Der letzte Akt sollte nicht in den Alpen über die Bühne gehen.
Anders verhielten sich die anderen Größen des »Dritten Reichs«. Unmittelbar nach den Geburtstagsfeierlichkeiten begann der Exodus der führenden Nazis aus Berlin. Himmler, Ribbentrop und Göring machten sich aus dem Staub. Die einen suchten ihr Heil im Süden, die anderen hofften, sich im Norden in Sicherheit bringen zu können. So unterschiedlich ihre Wege waren, so einheitlich war das Ziel: nur weg aus Berlin.
Die Flucht der »Goldfasane«
Eben noch hatte Hermann Göring seinem »Führer« herzlichst zum Geburtstag gratuliert, dann verabschiedete er sich für immer. »Sie haben wohl nichts dagegen, wenn ich jetzt nach Berchtesgaden fahre?«,
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