Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
Führungsspitze machten sich hingegen intensiv Gedanken darüber, wie man zumindest seine eigene Haut retten konnte.
Fantasterei auf allen Ebenen
Als Reaktion auf die militärische Situation hatte Heinrich Himmler Ende Mai 1944 Befehl gegeben, in der Alpenregion nach geeigneten Standorten für Festungsanlagen zu suchen. SS -Standartenführer Jürgen Stroop enthüllte nach dem Krieg Überlegungen für die Planung einer Verteidigungsfestung der SS in den Alpen. Im Warschauer Mokotów-Gefängnis, wo der Generalleutnant der deutschen Polizei wegen seiner Rolle bei der Niederschlagung des Aufstands im Warschauer Ghetto inhaftiert war, schwadronierte er von den hochtrabenden Plänen. Sein polnischer Zellengenosse Kazimierz Moczarski schildert diese »Gespräche mit dem Henker« und berichtet, dass sich Stroop damit gebrüstet habe, wie er gemeinsam mit »höchsten SS -Führern« den Plan »für die Organisierung einer Verteidigungsfestung der SS in den Alpen« aufgestellt habe.
Nicht nur die SS , auch das Oberkommando der Wehrmacht suchte angesichts der drohenden Niederlage verzweifelt nach einem rettenden Strohhalm. Bereits mit einer »Führeranordnung« vom 10. September 1943 war damit begonnen worden, die »Operationszone Alpenvorland« einzurichten. Nun prüfte ein Gebirgserkundungsstab Italien unter Oberst Adolf Seitz, wie bereits vorhandene alpine Befestigungssysteme aus dem Ersten Weltkrieg genutzt werden konnten, um eine »Voralpenstellung« aufzubauen. Als die Front im Süden näher rückte, reagierte auch Hitler: In der »Führer-Weisung Nr. 60« vom 27. Juli 1944 hieß es: »Ich befehle den Ausbau eines rückwärtigen Stellungssystems in Norditalien.« Die konkreten Baumaßnahmen sollte die Organisation Todt erledigen. »Die Arbeitskräfte und Mittel sind durch ein Volksaufgebot ähnlich wie in Ostpreußen aufzubringen«, hieß es lapidar.
Mit dem, was später unter dem Begriff »Alpenfestung« geplant war, hatte das noch immer nichts zu tun. Das militärische Ziel war, den alliierten Vormarsch zu stoppen und Landeoperationen der alliierten Truppen im Golf von Genua oder bei Venedig zu verhindern. Das Engagement war überschaubar. »Es herrschte Etappenleben, wie man sich dieses nicht schlimmer vorstellen konnte«, beschwerte sich ein Offizier der Gebirgsjäger über die Arbeitsmoral. Attentate italienischer Partisanen und alliierte Luftangriffe taten ein Übriges, den Ausbau zu behindern. Erst im Herbst wurden die Verantwortlichen wieder aktiver.
Im September 1944 gab das OKW »ein Gutachten über Verteidigungspositionen in den österreichischen Alpen« in Auftrag. Der strenge Winter sorgte dafür, dass erst zum Jahresanfang 1945 erste Ergebnisse vorlagen. Weitere zwei Monate vergingen, bis Generaloberst Alfred Jodl den zentralen Vorschlag präsentierte: Die Verteidigung des Reichs sollte künftig aus der Alpenregion erfolgen.
Zum Jahresende wurden Ausweichquartiere für das Führerhauptquartier und die militärischen Stäbe gesucht. In der geheimen Reichssache 121/45 wurde die Region Berchtesgaden als einer von zwei »geeigneten Plätzen für die Neuanlage eines F.H.Qu« aufgelistet. Mit den Planungen wurde die Organisation Todt beauftragt, die ihren Vorschlag am 7. April 1945 vorlegte – vier Wochen vor dem Ende des »Dritten Reichs«. Dennoch zeigten sich die Planer optimistisch. Die Ausbauten der vorhandenen Anlagen rund um den Obersalzberg sollten in kürzester Zeit fertiggestellt werden.
Rückzug deutscher Truppen in Norditalien, November 1944. Eine »Voralpenstellung« sollte hier den Vormarsch der Alliierten aufhalten – erster Vorbote der »Alpenfestung«.
BPK, Berlin (Bayerische Staatsbibliothek/Archiv Heinrich Hoffmann)
Die Organisation Todt war, neben Funktionären der Partei, der SS und Vertretern der Wehrmacht, der vierte Akteur beim Planungswettlauf um den Ausbau der »Alpenfestung«. Sie wollte diese Aufgabe dazu nutzen, die eigene Position im NS -Herrschaftssystem zu verbessern, und plante im großen Maßstab. 14000 Quadratmeter am Königssee für das Führerhauptquartier, für das OKH 28000 Quadratmeter in St. Leonhard und bescheidene 5000 Quadratmeter für Himmlers SS , die in Hallein an der Salzach Schutz suchen sollte. Geschätzte Bauzeit: acht Monate. Fertigstellung: Oktober 1945.
So gab es zwar nur Einzelmaßnahmen, die umgesetzt wurden, aber es wurden viele Pläne geschmiedet, was hätte realisiert werden können. Was es nicht gab, war ein Gesamtkonzept. Wehrmacht, Partei,
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