Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
zwangsrekrutierten Bevölkerung durchgeführt werden, die man mit massiven Drohungen zur Leistung motivieren wollte. »Der Aufbau ist mit den Mitteln eines Volksaufgebots durchzuführen. Zur Erfüllung des Führerauftrags werden sie im Wege der befristeten Notdienstverpflichtung aufgerufen. Eine Nichtfolgeleistung wird als Verrat mit schwersten Strafen belegt.« Die entsprechenden Plakate waren gedruckt und aufgehängt. Praktische Folgen hatten sie nicht mehr.
Heinrich von Vietinghoff-Scheel befehligte
den Stellungsbau in den Südalpen.
Bundesarchiv, Koblenz (Bild101I-313-1019-14/Gutjahr)
»Treuer Gefolgsmann Himmlers«:
Georg Ritter von Hengl.
Bundesarchiv, Koblenz (Bild146-1989-078-16A)
Wie weit Bormann und Berlin von den Alpen und auch von der Realität entfernt waren, machte eine weitere Anweisung deutlich: Die Gauleiter sollten jeweils zum 1. und 15. jedes Monats über den Fortschritt der Bauarbeiten berichten. Bevor jedoch der erste Berichtstermin anstand, hatte die »Alpenfestung« bereits kapituliert. Derweil stritten sich im Bunker unter der Reichskanzlei Hitlers Paladine darüber, wo der »Führer« seinen Kampf fortsetzen sollte: in Berlin oder in Berchtesgaden?
»Herkulesaufgabe«: General Julius Ringel
sollte die nördliche Alpenlinie befestigen.
BPK, Berlin (Vinzenz Enger)
»Besser in der Hauptstadt als im Wochenendhaus«
Die Würfel fielen zwei Tage nach Hitlers 56. Geburtstag. Am 20. April 1945 waren Hitlers Helfer ein letztes Mal zusammengekommen, ihrem Idol zu huldigen. Partei- und SS -Größen waren ebenso erschienen wie die militärische Spitze der Wehrmacht. Die engsten Weggefährten, Überzeugungstäter und Speichellecker wollten ihrem »Führer« noch einmal gratulieren – und zugleich ausloten, wie man sich in Sicherheit bringen konnte. Es war eine unwirkliche Atmosphäre. Fernab der Realität herrschte hier unten im Bunker Optimismus. Begleitet vom lauter werdenden Geschützdonner der herannahenden sowjetischen Panzer, schmiedete die NS -Elite Zukunftspläne.
Hitler selbst schien zu diesem Zeitpunkt bereit, Berlin zu verlassen. Sein Kammerdiener Linge hatte den Auftrag, die persönlichen Sachen des Diktators zu packen. Nach Absolvieren der Gratulationscour, so schien es, wollte der Jubilar in die »Alpenfestung« aufbrechen, um vom Obersalzberg aus den Kampf fortzusetzen. Das war ganz im Interesse der anwesenden Militärs.
Generalfeldmarschall Keitel, sonst wegen seiner Unterwürfigkeit gegenüber dem Führer als »Lakeitel« verspottet, leistete sich eine eigene Meinung und versuchte, Hitler zu überreden, das gesamte Führerhauptquartier nach Berchtesgaden zu verlegen – nur fort aus der belagerten Hauptstadt, solange der Fluchtweg noch offen war. Viele Ministerien und militärische Stabsabteilungen der Wehrmacht wie der Waffen- SS waren bereits in die Bayerischen Alpen aufgebrochen. Die Flugzeuge der »Führer«-Flugstaffel warteten auf den Berliner Flughäfen, um die NS -Spitze in den Süden zu bringen.
»Besser in der Hauptstadt als im Wochenendhaus«: Hitler besichtigt Schäden an der Neuen Reichskanzlei. Zwei Tage nach seinem 56. Geburtstag entschied er sich endgültig, in Berlin zu bleiben.
BPK, Berlin (Heinrich Hoffmann)
Auch Ferdinand Schörner versuchte, seinen »Führer« zu überzeugen, dass er Berlin verlassen müsse. Seine Stimme hatte Gewicht. Schörner war einer der wenigen, dem Hitler auch in der Endphase des Krieges vertraute. Diese Wertschätzung hatte sich Schörner unter anderem durch seine unnachgiebige Haltung bei der Verfolgung von Deserteuren verdient: »Jeder Soldat im Kampfraum Schörners weiß, dass er vorne sterben kann und hinten sterben muss«, hatte Goebbels mit anerkennendem Sarkasmus in seinem Tagebuch notiert.
Die Antwort Hitlers auf das allgemeine Drängen war eindeutig. Am 22. April telegrafierte er dem letzten ihm verbliebenen Lieblingsgeneral: »Ich bleibe in Berlin, um in ehrenvoller Weise an der Entscheidungsschlacht Deutschlands teilzunehmen und ein gutes Beispiel für alle Übrigen zu geben. Ich glaube, Deutschland damit den besten Dienst zu erweisen.« Zuvor hatte Hitler ein letztes Mal alle anderen für sein Scheitern verantwortlich gemacht und resignierend festgestellt: »Es ist völlig zwecklos, im Süden zu sitzen, weil ich dort keinen Einfluss und keine Armee habe. Einen süddeutsch-ostmärkischen Gebirgsblock könnte ich nur halten, wenn auch Italien als Kriegsschauplatz behauptet werden könnte. Aber auch dort herrscht
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