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Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)

Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)

Titel: Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Botschaft eines gemeinsamen Freundes überbringen müsse. Tatsächlich saß ihm Hamilton, seit Kriegsbeginn bei der Royal Air Force in Edinburgh zuständig für die Luftabwehr in Südschottland, am nächsten Vormittag gegenüber. Er kenne den Herzog von einer Begegnung während der Olympischen Spiele 1936, eröffnete Heß dem verdutzten Hamilton. Er sei nun zu einer »Mission im Dienste der Menschheit« zu ihm gekommen: Der »Führer« wünsche ein Ende des Kampfes mit England. Dass er, Heß, persönlich gekommen sei, beweise die Ernsthaftigkeit der deutschen Friedensbereitschaft. Hamilton möge nun die führenden Mitglieder der Konservativen Partei zusammenrufen, »um Friedensvorschläge zu unterbreiten«.
    Ob nun allein befeuert durch gefälschte Agentenberichte oder aber gelenkt durch eine gezielte Intrige des Secret Service: Heß schien tatsächlich zu glauben, dass in Großbritannien eine starke Fronde gegen Churchill existierte, die nur auf ein Signal zum Losschlagen wartete. Ja, er hatte sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, seine eigenen Vorstellungen schriftlich zu fixieren, sondern meinte, zunächst die britischen Vorschläge abwarten zu können. Wie sich bald zeigen sollte, hatte Heß tatsächlich keine anderen Angebote im Gepäck als die längst ausgereizten Hitler’schen Ideen von der Schutzgarantie für das britische Empire, das dem Reich dafür im Gegenzug freie Hand auf dem Kontinent lassen würde – Friedensbedingungen, die von den Briten mehr als einmal brüsk zurückgewiesen worden waren. Tatsächlich dachte auch jetzt niemand in London daran, ernsthaft in Verhandlungen mit Heß einzutreten.

    »Mission im Dienste der Menschheit«: Douglas Douglas-Hamilton (am Auto) erstattet am 16. Mai 1941 in London Bericht über sein Gespräch mit Heß.
    Getty Images, München (Planet News Archive/Kontributor/SSPL)
    Stattdessen entbrannte innerhalb der britischen Regierung eine heftige Auseinandersetzung über den richtigen Umgang mit der Affäre. Die Experten des Informationsministeriums plädierten umgehend dafür, die Sache für eine große Propagandaoffensive gegen Deutschland auszuschlachten. Premierminister Churchill dagegen plante, den Flug von Heß in ein Exempel seiner Politik des Siegs um jeden Preis umzumünzen, ließ er sich doch trefflich als Zeichen deutscher Schwäche interpretieren.
    Nun, Heß oder nicht Heß, ich werde mir jetzt die Marx Brothers ansehen.
    Reaktion Churchills auf die Nachricht des Heß-Flugs
    Letztlich setzte sich jedoch eine andere Linie durch, die des Außenministeriums. Der Vorfall wurde mit einer eisernen Mauer des Schweigens umgeben. Dies hatte mehrere Vorteile: Zum einen konnten damit lästige Fragen nach einer Verwicklung des Secret Service abgeblockt werden. Viel wichtiger war jedoch die Möglichkeit einer Instrumentalisierung auf diplomatischem Gebiet. Schließlich stand Großbritannien damals im Kampf gegen Hitler-Deutschland allein – noch gab es in den Vereinigten Staaten starke isolationistische Kräfte gegen einen Kriegseintritt; noch hatte auch der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt Bestand. In der Folge inszenierten die Strategen des Foreign Office ein raffiniertes Verwirrspiel um den »Friedensflieger« Heß, in dem mit der Möglichkeit gepokert wurde, dass die britische Regierung auf die Vorschläge von Heß einginge. Die diplomatischen Schachzüge banden schließlich die USA enger an das bedrängte Empire und mündeten nach dem Beginn des »Unternehmens Barbarossa« in ein britisch-sowjetisches Bündnis, das zur Keimzelle der Anti-Hitler-Koalition wurde.
    Mir ist es ziemlich egal, was mit ihm passiert, wir können ihn benutzen.
    Sir Alexander Cadogan, Staatssekretär im britischen Außenministerium, 15. Juni 1941
    Es gehört zur persönlichen Tragik des Rudolf Heß, dass er damit beförderte, was er verhindern wollte: Statt eines Ausgleichs zwischen Deutschland und Großbritannien trug sein Flug nicht unwesentlich zur Bildung jener weltumspannenden Allianz bei, die das Hitler-Reich letztendlich besiegen sollte.
    Der Gefangene
    Der deutschsprachige Dienst der BBC meldete wenige Tage nach der Ankunft von Heß spöttisch: »Heute keine weiteren Reichsminister eingeflogen.« Doch die große britische Propagandaoffensive blieb zur Freude von Goebbels aus. »Was hätten wir daraus gemacht«, bemerkte dieser erleichtert – ohne zu wissen, welche langfristige Folgen der Verzicht der Briten auf einen kurzfristigen Propagandacoup für das Reich haben

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