Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)

Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)

Titel: Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
Vom Netzwerk:
Dilettantismus«, ätzte Propagandaminister Goebbels in seinem Tagebuch über die Ergüsse von Heß. »Er wolle nach England, ihm seine aussichtslose Lage klarmachen, durch Lord Hamilton in Schottland die Regierung Churchill stürzen und dann Frieden machen, bei dem London sein Gesicht wahren könnte. Dass Churchill ihn gleich verhaften lassen würde, hat er dabei leider übersehen. Es ist zu blödsinnig. So ein Narr war der nächste Mann nach dem Führer.«
    Hitler selbst bekam nach der Verlesung des Heß-Briefs wieder einmal einen seiner berüchtigten Tobsuchtsanfälle. Sein Stellvertreter habe einen »beispiellosen Vertrauensbruch« begangen, geiferte der Diktator, dieser Tag sei einer der schwärzesten seines politischen Lebens. Es sei nichts als »kindliche Phantasie«, zu glauben, durch Gespräche in England einen Friedensschluss zu erreichen. Wie aber solle die Wehrmacht seinen Befehlen Folge leisten, wenn die »politische Führung in ihrer Spitze Insubordination« vorexerziere?
    Ganz gleich, was er dort sagt, stellen Sie sich vor, Churchill hat Heß in der Hand. Was für ein Wahnsinn ist das, was Heß hier gemacht hat, ein politischer Wahnsinn! […] Man wird Heß dort ein Medikament eingeben, damit er vor das Radio trete und dort dann sagt, was Churchill wünscht. Ich kann es nicht dementieren, denn es ist die Stimme ja von Heß, die jeder kennt.
    Adolf Hitler, 11. Mai 1941
    Eine Zeit lang hatte die NS -Führung noch gehofft, Heß habe die britische Insel womöglich gar nicht erreicht, sei von der Luftverteidigung abgeschossen worden oder bei der Landung verunglückt. Als schließlich seine Festnahme gemeldet wurde, herrschte Katerstimmung auf dem Berghof. »Welch ein Anblick für die Welt: ein geistig zerrütteter zweiter Mann nach dem Führer«, bemerkte Goebbels niedergeschlagen. Tatsächlich stürzte die Affäre Heß das Regime in eine schwere innen- wie außenpolitische Krise. Im Reich gärte die Gerüchteküche. Niemand schien glauben zu wollen, dass der Stellvertreter des »Führers« plötzlich verrückt geworden war. In den Stimmungsberichten des SD war von großer Bestürzung und tiefer Niedergeschlagenheit in der Bevölkerung die Rede. Vor allem das Ansehen der Partei selbst, das durch Korruptionsaffären und zahlreiche Fälle von Bonzenwirtschaft ohnehin angeschlagen war, sank jetzt auf einen Tiefpunkt. Gleichzeitig machten wilde Spekulationen über die wahren Hintergründe und die Folgen der Affäre die Runde.
    Auch nach außen hin brachte die Aktion seines Stellvertreters Hitler in schwere Bedrängnis. Der Eindruck einer deutsch-britischen Verständigung musste logischerweise große Unruhe bei den Achsenpartnern Italien und Japan hervorrufen. Außenminister Ribbentrop wurde umgehend nach Rom geschickt, um den ohnehin schwankenden Mussolini bei der Stange zu halten. Dies alles geschah in einer Phase, da die Vorbereitungen für das »Unternehmen Barbarossa« auf Hochtouren liefen. Hitlers größte Sorge war denn auch, dass Heß wichtige Informationen über den unmittelbar bevorstehenden Überraschungsangriff auf die Sowjetunion verraten könnte. Selbst wenn der Stellvertreter nicht in alle militärischen Details eingeweiht war, der Angriffstermin und die groben Planungen für den Feldzug waren ihm bekannt.
    Nach übereinstimmenden Meldungen aus allen Teilen des Reiches hatte die erste amtliche Verlautbarung zum Fall Heß große Bestürzung hervorgerufen. In der Parteigenossenschaft herrschte tiefe Niedergeschlagenheit. Fast alle Meldungen brachten zum Ausdruck, dass die Mitteilung zunächst von Parteigenossen wie von anderen Volksgenossen wegen des großen Vertrauens zu Heß nicht geglaubt worden ist. Im Anschluss an die erste parteiamtliche Erklärung setzte in allen Gegenden des Reiches und gleichzeitig auch in den besetzten Gebieten eine Flut von Gerüchten und Vermutungen ein, wie es bisher kaum bei einem anderen Ereignis der Fall gewesen ist.
    Stimmungsbericht des SS-Sicherheitsdiensts, 15. Mai 1941
    Der so vielfach zum Teufel Gewünschte saß derweil in Buchanan Castle vor den Toren von Glasgow hinter Gittern. Schon eine halbe Stunde nach seiner unsanften Landung auf britischem Boden – Heß verstauchte sich beim ersten Fallschirmsprung seines Lebens einen Knöchel – hatten ihn Männer der Home Guard in einem Bauernhof aufstöbern und festnehmen können. Heß, der sich zunächst als Hauptmann Alfred Horn ausgab, verlangte, zum Herzog von Hamilton gebracht zu werden, dem er eine wichtige

Weitere Kostenlose Bücher