Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
worden«, lautete 1944 die Einschätzung des US -Auslandsgeheimdienstes OSS .
»Jeder hat Angst vor Repressalien«: Nach dem Ende der Kämpfe in Aachen kehren deutsche Zivilisten in die besetzte Stadt zurück.
Ullstein Bild, Berlin (N.N.)
Derweil standen die Amerikaner in Aachen vor der Aufgabe, eine weitgehend zerstörte deutsche Stadt, in der noch Tausende Zivilisten versorgt werden mussten, zu verwalten. Was hier geschah, hatte Signalwirkung – sowohl für die Amerikaner als auch für die Deutschen. Hier konnte vorgeführt werden, wie die Nachkriegsordnung in dem noch zu besiegenden Deutschland gestaltet werden konnte. Viele Planspiele waren angestellt worden, wie die US -Armee als Besatzungsmacht auftreten würde. Doch wusste die US -Armee auch, dass es ohne deutsche Mitwirkung nicht möglich war, eine funktionierende Ordnung zu schaffen. »Das Hauptproblem hat bisher darin bestanden, die Menschen zur Übernahme von Verantwortung zu bewegen. Jedermann hat Angst vor Repressalien«, konstatierte Ende 1944 der stellvertretende Direktor der US -Abteilung für psychologische Kriegsführung.
Der Aachener Bischof Joseph van der Velden schlug Franz Oppenhoff für den Posten des Oberbürgermeisters der Kaiserstadt vor.
Aus: Wolfgang Trees/Charles Whiting: Unternehmen Karneval: Der Werwolf-Mord an Aachens Oberbürgermeister Oppenhoff. Aachen 1982. S. 103
Eine Schlüsselfigur bei der Suche nach Deutschen, die beim Wiederaufbau einer kommunalen Verwaltung helfen könnten, war der Aachener Bischof Joseph van der Velden. Der Kirchenmann – der zum NS -Regime stets Distanz gewahrt hatte – empfahl den Amerikanern diskret, sich an einen Mann namens Franz Oppenhoff zu wenden. Oppenhoff, verheiratet und Vater dreier Töchter, war 42 Jahre alt und stammte aus einer angesehenen katholischen Beamtenfamilie. Er selbst war Jurist und hatte in Aachen als Anwalt gearbeitet. Er hatte Priester, die im Dritten Reich vor Gericht gestellt wurden, verteidigt und sich mit dem Bischof von Aachen angefreundet. Oppenhoff zögerte, als der Bischof mit einem US -Major bei ihm auftauchte und ihn bat, mit den Besatzern zusammenzuarbeiten – die Drohungen des NS -Regimes gegen vermeintliche »Verräter« in den besetzten Gebieten waren ihm nicht entgangen. Schließlich willigte er ein und begann, sich weitere Mitarbeiter für den Neuanfang in Aachen zu suchen.
»Alles und jedes ist jetzt neu zu erarbeiten«: Franz Oppenhoff (2. von links) im Gespräch mit amerikanischen Offizieren.
Getty Images, München (Time & Life Picture/John Florea/Kontributor)
31. Oktober 1944: Zehn Tage nach der Übernahme der Stadt durch die Amerikaner übernimmt Franz Oppenhoff eine heikle Aufgabe. Er wird als Erster Bürgermeister einer deutschen Stadt, die nicht mehr unter NS -Kontrolle stand. Das war propagandistisch wertvoll. »Nazi-Gegner wird Bürgermeister in Aachen!«, titelte die britische Zeitung Daily Herald am 1. November und berichtete: »Es gab keine Reden und keine Amtsketten. […] Der befehlshabende Offizier der Militärregierung, Oberstleutnant Carmichael, verlas die Eidesformel, die das Handbuch für die Militärregierung in Deutschland vorschreibt. Der neue Bürgermeister nickte während der Übersetzung zustimmend, und die Zeremonie war vorbei.« Der Name Oppenhoff wurde jedoch bewusst nicht genannt. Aufmerksam verfolgte auch das NS -Regime die alliierte Berichterstattung. In den Kerngebieten des Reichs hatte es die Lage noch fest im Griff und reagierte zunächst nur publizistisch. Die Kölnische Zeitung etwa meldete: »Nach längerem Suchen ist auch aus der Reihe von Verrätern ein Oberbürgermeister gefunden worden. General Hodges, der Oberbefehlshaber der 1. US -Armee, deren Hauptquartier in Aachen liegt, hat jedoch die Nennung des Namens dieses Bürgermeisters verboten.« Das stimmte durchaus – in Aachen teilte man der Bevölkerung nicht öffentlich mit, wer der neue Bürgermeister war, denn die Furcht vor Nazi-Rächern war groß.
Es gibt nichts mehr zu verwalten, alles und jedes ist jetzt neu zu erarbeiten. […] Denken wir daran, wie oft wir gesagt haben, wir wollten gerne von vorne beginnen und auf alle lieben und sogar notwendigen Dinge verzichten, wenn wir nur heil durch den Krieg kämen. Es ist so weit!
Franz Oppenhoff, November 1944
Diese Furcht zu schüren – und durch Taten zu bestätigen – war von nun an ein Anliegen der Reichsführers- SS Heinrich Himmler. Er befahl dem »Höheren SS - und Polizeiführer West«, dem
Weitere Kostenlose Bücher