Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
hielten. Nach einem stundenlangen Feuergefecht erschossen sich die eingeschlossenen Agenten selbst. 120 Widerständler, die ihnen in den Wochen zuvor Zuflucht gewährt oder geholfen hatten, ließen ebenfalls ihr Leben – die meisten wurden in das KZ Mauthausen verbracht und starben dort.
Auf das Stärkste beachtet wird das Attentat gegen Heydrich. Die Hetze, die von London entfacht wird, ist maßlos. Die Maßnahmen, die auf Befehl des Führers im Protektorat ergriffen werden, sind sehr hart. Aber es ist schon notwendig, mit solcher Härte vorzugehen, da sonst die Gefahr besteht, dass die Dinge uns irgendwann einmal über den Kopf wachsen.
Joseph Goebbels, Tagebuch vom 29. Mai 1942
Hitler wollte Rache, die Tschechen sollten merken: »Wenn sie einen abschießen, so kommt sofort immer wieder ein noch viel Schlimmerer.« Aber Hitler übte auch Kritik an Heydrichs Verhalten: Heroische Gesten, wie in offenem, ungepanzertem Wagen zu fahren oder in Prag ohne Sicherung zu Fuß durch die Straßen zu gehen, sei Blödsinn, der der Nation nichts nütze. Wo es nicht unbedingt sein müsse, dass sich ein so unersetzbarer Mann wie Heydrich der Gefahr aussetze, könne er das nur als Dummheit oder reinen Stumpfsinn verurteilen. Männer vom politischen Format Heydrichs müssten sich darüber im Klaren sein, dass ihnen wie einem Wild aufgelauert werde. Die Rache des Regimes war grausam. Berlin wollte ein Exempel statuieren. Im Protektorat ließen die Besatzer 1331 Tschechen hinrichten, darunter 201 Frauen. Traurige Berühmtheit als Symbol für die Rache an Unschuldigen sollte der Name eines kleinen Ortes erlangen: Lidice. Die Bewohner hätten angeblich die Attentäter unterstützt, hieß es. In den frühen Morgenstunden des 9. Juni 1942 umstellten Sicherheitspolizisten die Häuser. Sie sollten zu Verhören in die Schule gehen, wurde den Einwohnern gesagt. Es werde ihnen nichts passieren. Auf dem Weg zur Schule wurden die 172 Männer des Dorfes »ausgesondert« und anschließend erschossen. Die 195 Frauen des Ortes verschleppte die SS in das KZ Ravensbrück. Kaum eine von ihnen überlebte. Ihr Dorf wurde nach dem Massaker dem Erdboden gleichgemacht. Am 24. Juni wurde bei Pardubice zudem das Dorf Ležáky Schauplatz einer »Vergeltungsaktion«, weil dort die technische Ausrüstung von SOE -Agenten deponiert worden war. 33 Dorfbewohner wurden sofort erschossen, 14 weitere in Konzentrationslager verschleppt, wo sie starben.
Im Zuge der deutschen Vergeltungsmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung wurde das Dorf Lidice dem Erdboden gleichgemacht und die männliche Bevölkerung ermordet.
BPK, Berlin (N.N.)
War die »Operation Anthropoid« angesichts all des Leides, das sie auf tschechoslowakischer Seite auslöste, ein Erfolg? Die britische Presse meldete Anfang Juni 1942 Heydrichs Tod und sprach davon, er sei von »Fallschirmjägern« getötet worden. In den folgenden Wochen konnte die britische Öffentlichkeit auch von den Massakern und Repressionen lesen, die die Deutschen im Protektorat entfesselten. Emotionslos betrachtet könnte man konstatieren: Die Aktion trug propagandistisch durchaus Früchte, zeigte sie doch, dass der lange Arm der britischen Geheimdienste bis tief ins besetzte Europa reichte; die Deutschen wurden zudem als mörderische Barbaren demaskiert.
Für die Beneš-Regierung im britischen Exil war die Aktion politisch ein Erfolg. Am 5. August 1942 sandte der britische Außenminister Anthony Eden dem tschechoslowakischen Exilaußenminister Jan Masaryk einen Brief. Darin teilte er mit, dass die britische Regierung sich nicht mehr an das Münchner Abkommen von 1938 gebunden fühle – damals hatten Briten und Franzosen Hitler zugestanden, der ČSR das Sudetenland abzunehmen. Einige Wochen später erklärte auch die französische Exilführung unter General Charles de Gaulle das Münchner Abkommen für »null und nichtig«. Nach der Befreiung von der deutschen Besatzung würde das Sudetenland wieder zum tschechoslowakischen Staat gehören – diese Botschaft hörte Beneš gerne. Die »Operation Anthropoid« hatte also die erhoffte Signalwirkung gehabt. Sein Volk in der Heimat hatte den Beweis erbracht, dass es für die Sache der Alliierten bereit war, Opfer auf sich zu nehmen. Noch heute gilt der 27. Mai 1942 in der Tschechischen Republik als »einer der wichtigsten Tage der jüngeren Geschichte«. Im Vorwort zu einer Dokumentation über die »Operation Anthropoid« schrieb im Jahr 2002 der tschechische
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