Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
Verteidigungsminister Jaroslav Tvrdík: »Die Ermordung Heydrichs war zweifelsohne die wichtigste Tat des tschechischen Widerstands gegen die Nazi-Besatzer. Auch im europaweiten Vergleich gelang es keiner Widerstandsbewegung in den anderen besetzten Ländern, ein in der Hierarchie so hoch stehendes Ziel zu treffen. Wichtig ist hervorzuheben, wie eng die Fallschirmjäger mit der örtlichen Widerstandsbewegung zusammenarbeiteten.«
Gabčik und Kubiš glaubten allerdings am Nachmittag des 27. Mai 1942, dass ihr Unternehmen gescheitert sei. Sie hatten mit größtem Mut und großer Opferbereitschaft monatelang das Attentat vorbereitet und waren dabei nicht aufgefallen. Bis dahin hatten sie also vieles richtig gemacht. Auch die Auswahl des Orts für einen Hinterhalt scheint mit Geschick getroffen worden zu sein. Dass allerdings die Maschinenpistole versagte, muss Anlass zur Kritik geben. Als bestens ausgebildete SOE -Agenten hätten sie wissen können, dass die Sten Gun zu Ladehemmungen neigte – ganz einfach, weil sie billig und in Massen produziert wurde. In zahllosen britischen Kleinwerkstätten wurden die Teile separat produziert und dann in anderen Fabriken zusammengesetzt, nicht immer waren die Teile passgenau. Die Sten Gun kostete in der Herstellung damals ganze zwei britische Pfund. Eine US -Maschinenpistole vom Typ »Tommy Gun« wäre für die Briten 1941 die einzige verfügbare Alternative gewesen – doch die kostete im Einkauf in den USA 200 Dollar. Wenn der SOE und allen Beteiligten die Ermordung Heydrichs so wichtig war, warum bekamen die Agenten dann die billigste und unzuverlässigste Waffe mit auf den Weg? Zudem hätten die Agenten wissen müssen, dass eine Ladehemmung vorprogrammiert war, wenn man beim Laden des Magazins nicht sehr sorgfältig vorging. Mit einer solchen Waffe in eine solche Situation zu gehen erscheint zumindest ungeschickt. Auch die hochexplosive »No. 73«-Granate, die Kubiš schleuderte, traf nicht das Auto. Wie gut also war es um das Waffentraining und die Kaltblütigkeit der Attentäter wirklich bestellt? Dass Heydrich schließlich doch starb, war eher Zufall und lag mehr an der Art der Verwundung, nicht am geschickten Vorgehen der Täter, die dem Opfer gegenüberstanden. Sie hatten im entscheidenden Moment die »relative Überlegenheit« – und auch Feuerkraft – am Tatort und nutzten sie nur unzureichend.
Bis heute wird natürlich heftig diskutiert, ob das hätte geschehen sollen oder nicht. Ob die Opfer nicht zu groß waren, ob das nicht nur eine leere Geste war. Aber ich glaube, in der Geschichte gibt es ab und zu Gesten, die lebensnotwendig sind.
Pavel Kohout, tschechischer Schriftsteller
Ihr Abtauchen in Prag gelang dagegen zunächst; sie wurden nur entdeckt, weil ihr Mit-Agent Karel Čurda sie verriet. So stellt sich die Frage, ob die SOE -Planung nicht zynisch war, denn sie nahm die Opferung der Agenten in Kauf. Kubiš und Gabčik hatten nie eine realistische Möglichkeit, ihren Einsatzort, der weit im Hinterland des Feindes lag, wieder in Richtung England zu verlassen. Ihnen blieb nur, im Alltagsleben Prags unterzutauchen. Bei dem hohen Fahndungsdruck, der von den Deutschen ausgeübt wurde, waren sie in einer extrem gefährdeten Position. Hier war das Prinzip der Geheimhaltung entscheidend – durchbrochen wurde es von einem Kameraden, dem Verräter Karel Čurda. Doch wie lange hätten die Täter im Untergrund überleben können, selbst wenn es keinen Verräter gegeben hätte? War ihr Einsatz – wenn auch nicht explizit so definiert – ein Selbstmordkommando? Gabčiks und Kubiš’ Mut war unbestreitbar. »Sie haben sich bereit erklärt, den Anschlag durchzuführen, auch wenn für sie anschließend keine Fluchtmöglichkeit besteht«, heißt es in einem Planungspapier der SOE . Eine derartige Opferbereitschaft war gewiss hilfreich bei der Konzipierung der »Operation Anthropoid«. Wenn die Selbstopferung aber in den Planungen einkalkuliert war, erscheint dies aus heutiger Sicht ungewöhnlich für eine Organisation, die so hohe professionelle Ansprüche hegte wie die SOE und die mit großem Aufwand Spezialagenten ausbildete.
Zur besonderen Verwendung
Mit hohem Aufwand hatte auch die deutsche Seite Spezialtruppen für gefährliche Einsätze hinter den feindlichen Linien ausgebildet. Lange bevor die SS den »Sonderlehrgang zbV Oranienburg« (später in »Sonderlehrgang zbV Friedenthal« umbenannt) zusammenstellte, hatte die Wehrmacht schon über eine Spezialtruppe
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