Geheimnisse einer Sommernacht
Jedenfalls gab es eine Menge, worüber sich Mr. Keir und Miss Hunt unterhalten konnten. Wie die Mütter – so werde ich Mama und Mrs. Hunt im Folgenden nennen, denn sie sind unzertrennlich, räumlich und geistig …“
„Meine Güte“, lachte Lillian. Schreibt dein Bruder immer so lange Sätze?“
„Still“, mahnte Daisy. „Lies weiter, Annabelle. Ich will hören, was Jeremy schreibt, und was die Mütter über Mr. Keir denken.“
„… jedenfalls sind die beiden der Meinung, dass Mr. Keir ein interessanter, sehr sympathischer Gentleman sei“, las Annabelle vor.
„Heißt das, er ist attraktiv?“, fragte Daisy.
Annabelle grinste. „Bestimmt. Und weiter schreibt Jeremy, dass Mr. Keir die Mütter um ihre Erlaubnis gebeten hat, Meredith schreiben zu dürfen, und dass er vorhat, sie zu besuchen, wenn sie wieder in London ist.“
„Fantastisch“, rief Daisy und reichte Lillian ihr Glas. „Schenk mir noch mal nach, Schwesterchen. Ich möchte mit euch auf Merediths zukünftiges Glück anstoßen.“
Fröhlich leerten die drei ihre Gläser. Dann legte Annabelle seufzend den Brief zur Seite. „Ich wünschte, ich könnte das auch Evie erzählen.“
„Ich vermisse Evie“, sagte Lillian erstaunlich wehmütig. „Vielleicht erlauben uns ihre Gefängniswärter, ach, pardon, erlaubt uns ihre Familie ja bald, sie zu besuchen.“
„Wisst ihr was, ich habe eine Idee“, meinte Daisy. „Wenn Vater nächsten Monat aus New York nach London kommt, werden wir mit ihm zu einem weiteren Besuch nach Stony Cross Park fahren. Da sie mit Lord Westcliff befreundet sind, werden natürlich auch Annabelle und Mr. Hunt eingeladen sein. Wir können also ein offizielles Mauerblümchentreffen veranstalten, vielleicht auch noch mal ein Schlagballmatch.“
„Um Gottes willen“, stöhnte Annabelle theatralisch und leerte ihr Weinglas. Dann kramte sie in ihrer Tasche und zog ein winziges Papier heraus, in das etwas eingewickelt war. „Daisy, würdest du mir einen Gefallen tun?“
„Natürlich!“ Neugierig öffnete Daisy das Päckchen und blickte verständnislos auf den spitzen Metallsplitter.
„Meine Güte, was ist das denn?“
„Das habe ich nach dem Brand in der Gießerei aus Lord Westcliffs Schulter gezogen“, erklärte Annabelle und musste grinsen, als sie die schockierten Gesichter der beiden sah. „Nimm den Splitter bitte mit nach Stony Cross Park und wirf ihn in den Wunschbrunnen.“
„Und was soll ich mir wünschen?“
Annabelle lachte leise. „Wünsche dir dasselbe für den armen alten Lord Westcliff, was du dir für mich gewünscht hast.“
„Armer alter Westcliff?“, schnaubte Lillian und sah die beiden dabei misstrauisch an. „Was hast du dir für Annabelle gewünscht?“, wollte sie wissen. „Davon hast du mir nie was erzählt.“
„Annabelle auch nicht“, murmelte Daisy und blickte nachdenklich lächelnd zu ihr hinüber.
„Ich konnte es mir denken“, meinte Annabelle grinsend. Dann beugte sie sich vor und sagte verschwörerisch leise:
„Also, ich habe da eine ziemlich gute Idee, wie wir für Lillian einen Ehemann finden …“
– ENDE –
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