Geheimnisvoll und unwiderstehlich
erzählt, was ihm auf der Seele lag! Aber daran war nicht zu denken, denn schließlich hatte er Tom sein Wort gegeben. Trotzdem konnte er seiner Schwester nichts vormachen.
„Es hat mit Tom zu tun, stimmt’s?“, fragte sie mit ruhiger Stimme. „Du hast es einfach nicht mehr ausgehalten, dort zu leben, wo er mit Aurelia so glücklich war. Oh Hal, es tut mir so schrecklich leid!“
Hal nickte. „Ja, die Erinnerungen wurden mir einfach zu viel. Ich brauche eine Auszeit. Unser Team in Frankreich schafft die Arbeit auch ohne mich, daher kam mir diese Gala gerade recht.“ Er zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln. „Also, schieß los! Sag mir, was ich tun kann. Was für verrückte Sachen hast du dir für die Veranstaltung ausgedacht?“
„Das wirst du schon noch hören, großer Bruder. Jedenfalls bin ich froh, dass du endlich da bist. Ich brauche deine Hilfe, und zwar sofort!“
Mimi hob ihr Tablett mit den Eiskaffees über die Köpfe eines Touristenpärchens, das mitten auf dem Bürgersteig stand und mit dem sie fast zusammengestoßen wäre.
Die Hitze und der Stress der vergangenen Wochen machten sich langsam bei ihr bemerkbar.
Natürlich hatte sie Poppy auch nichts davon gesagt, dass sie gerade erst die letzten Pailletten auf das bodenlange Abendkleid aufgenäht hatte, das eins der Glanzstücke ihrer Kollektion sein würde.
Zusätzlich zu den Vorbereitungen für die Modenschau hatte Mimi auch noch die Abschlussfeier ihrer Studentinnen organisieren müssen. Sie hatte keine einzige freie Minute für sich gehabt, aber es hatte sich gelohnt. Das Abendkleid sah fantastisch aus, und es war genau eine Woche vor der Show fertig geworden.
Ihre erste eigene Modenschau! Die erste Kollektion, die sie selbst entworfen und genäht hatte!
In wenigen Tagen würde ihr Traum Wirklichkeit werden. Nur noch eine Woche, mehr nicht! Nur noch sieben Tage!
Das war die Chance, auf die sie seit Jahren gewartet hatte. Jahre, in denen sich ihr Traum, eine eigene Kollektion zu entwerfen, wie eine Fata Morgana angefühlt hatte. Nein, junge Frauen wie sie, die einen Strickladen in einem Londoner Vorort besaßen und unter dem Verlust eines Elternteils litten, konnten sich einen solchen Traum eigentlich gar nicht leisten.
Doch nun sah es so aus, als würde ihre Vision Wirklichkeit werden. Dieser Gedanke beflügelte Mimi, und wenige Minuten später stand sie bereits mit ihrem Tablett im Flur vor Poppys Büro. Von innen ertönte das glockenhelle Lachen ihrer Freundin, gefolgt von einer männlichen Stimme. Sie schien Besuch zu haben.
Zögernd klopfte Mimi an die Tür und trat ein. Zuerst fielen ihr die langen Beine eines Mannes auf, die ihr den Weg versperrten. Er wirkte wie eine Mischung aus Playboy und Biker. Nur eins irritierte sie – links trug er einen ganz normalen Turnschuh. Sein rechter Fuß hingegen steckte in einer Art Plastikverband.
Verwirrt sah sie von seinen Füßen auf sein Gesicht. Ein durchdringender Blick aus tiefbraunen Augen traf sie so unvermittelt, dass sie fast errötet wäre.
Ohne die Krücke und die feine Narbe, die sich über seine Stirn zog, hätte man ihn glatt für ein Model halten können. Dazu passten auch die alte Lederjacke, seine breiten Schultern und die schmalen Hüften.
Aber es gab noch etwas Undefinierbares, das nichts mit dem Ego eines Models zu tun hatte. Obwohl er kein Wort geredet hatte, strahlte er eine unglaubliche Ruhe und Tiefe aus.
Das Büro war fast zu klein für seine starke Präsenz. Er hatte eine Autorität, wie man sie nur selten traf. Gewiss gehörte er nicht zu der Art von Kunden, die sich in ihren Strickladen verirrte.
Ob er ein Kunde von Poppy war? Oder vielleicht ein Freund? In diesem Moment sah Poppy auf und winkte sie herein.
„Mimi, wunderbar, du kommst genau im richtigen Moment. Ich versuche gerade, meinen Bruder zu überreden, gemeinsam mit uns deine Modenschau zu organisieren. Aber Hal sperrt sich noch ein bisschen.“
„Oh nein, das stimmt nicht“, widersprach Hal. „Vergiss nicht, wie oft ich dir am Anfang deiner Modelkarriere geholfen habe. Das reicht für den Rest meines Lebens. Aber wenn du einen Fotografen brauchst, können wir gern darüber reden.“
Ihr Bruder!
Mimi konnte sich nicht rühren, sie blieb stocksteif stehen, als hätte man sie am Boden festgenagelt.
Besonders seine Stimme nahm sie gefangen – tief, ein wenig heiser und sehr sinnlich. Anders als alles, was sie sonst in ihrem Alltag vernahm. Ein Wirbelwind an männlicher Energie, ja,
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