Geheimnisvoll wie der Orient
einfach loswerden, oder?“
Beatrice zuckte die Schultern. „Das kann man nie so genau wissen.“
Sie hatte die Freundin immer gemocht, aber ihre offenkundige Gleichgültigkeit in dieser Situation stieß Molly regelrecht ab. „Er hat doch sicher Freunde und Vertraute, die an ihn glauben, oder nicht?“
„Ja, Tair erfährt viel Unterstützung. Allerdings hat er keinen Erben, im Gegensatz zu dem Cousin, den seine Gegner gern auf dem Thron sehen würden.“
Mollys Gedanken überschlugen sich. „Du meinst, Tair wird nun schnell heiraten, um seine Position zu festigen?“
Wieder hob Beatrice die Schultern. „Jedenfalls steht er unter enorm großem Druck.“
Messerscharf durchzuckte Molly die Eifersucht. Ihr wurde übel, wenn sie sich nur vorstellte, dass eine andere Frau Tair demnächst heiraten und ihm einen Erben schenken würde. Nie hätte sie geglaubt, einer Unbekannten gegenüber eine so starke Abneigung empfinden zu können.
Sie konnte nicht länger an sich halten. „Nein! Das darf nicht geschehen!“ Als sie Beatrice’ Gesichtsausdruck sah, fügte sie rasch hinzu: „Niemand sollte aus politischen Gründen zu einer Ehe gezwungen werden.“
„Ich weiß. Tariq ist allerdings der Meinung, Tair besitze ein ausgeprägtes Pflichtgefühl. Es ist durchaus möglich, dass er das Wohl seines Landes über sein privates Glück stellt. Doch nun genug von Politik“, sagte sie abschließend, hakte sich bei Molly unter und führte sie langsam zu dem offenen Parktor.
„Eigentlich bin ich hier, um dich persönlich zu einer Party einzuladen.“
„Party?“, wiederholte Molly entgeistert. Wie kann man in dieser Situation nur ans Feiern denken?
„Ja, zu meiner Geburtstagsfeier. Ich verspreche dir auch hoch und heilig, dass es diesmal zu keiner Entführung kommen wird. Bitte komm! Wir haben mehr als einen Anlass zum Feiern. Nicht nur meinen Geburtstag, sondern auch den kleinen Rayhan. Du wirst ihn bei dieser Gelegenheit endlich kennenlernen. Er ist einfach umwerfend.“ Die stolze Mutter strahlte. „Bitte sag, dass du kommst. Ich weiß, dass Tariq und Khalid es sich sehr wünschen. Sie glauben beide, dass du noch immer wütend auf sie bist.“
„Das bin ich aber nicht.“
„Ich weiß das, doch es schadet gewiss nicht, die Herren noch eine Weile in diesem Glauben zu lassen.“
„Wird Tair auch anwesend sein?“
„Nur wenn es dir nichts ausmacht.“
„Natürlich macht es mir nichts aus. Du kannst ihn gern einladen.“
„Wirklich, Molly, ich bewundere dich.“
Ein wenig drückte sie das schlechte Gewissen, weil sie ihre Hintergedanken hegte, doch dann antwortete Molly ganz gelassen: „Schließlich sind wir alle erwachsen.“
Beatrice lachte. „Und jetzt komm. Ich möchte gerne etwas trinken, und auf dem Weg hierher habe ich eine entzückende kleine Teestube gesehen.“
14. KAPITEL
„Anscheinend habe ich ein paar Pfund zugenommen, seit ich das Kleid gekauft habe“, gestand Molly, während sie sich in dem bodentiefen Spiegel betrachtete.
„An genau den richtigen Stellen“, antwortete Khalid und duckte sich, als seine hübsche blonde Frau Emma ihm einen Boxschlag verpassen wollte.
Molly stimmt in das allgemeine Gelächter ein, warf aber dennoch einen letzten besorgten Blick in den Spiegel, bevor sie sich zu den übrigen Mitgliedern ihrer Großfamilie gesellte.
Das fast bodenlange Kleid im Petticoat-Stil der Fünfzigerjahre hatte ihr auf Anhieb gefallen. Und bei der Anprobe war ihr das eng anliegende trägerlose Oberteil auch nicht zu freizügig erschienen.
Allerdings hatte sie damals nicht damit gerechnet, dass ihre Oberweite so schnell zunehmen würde.
Daran lässt sich jetzt nichts mehr ändern, dachte sie und folgte rasch dem ungeduldigen Drängen Khalids, der sich bereits auf dem Weg in den Ballsaal befand.
Als sie die riesige Halle betraten, stockte ihr der Atem. Der mit Mosaiken verzierte Fußboden und die hohe Gewölbedecke, die prachtvoll in Gold und Lapislazuli schimmerte, waren beeindruckend. Dem Anlass entsprechend war der Saal wundervoll dekoriert. Weiße Lilien verströmten ihren betörenden Duft, und die anwesenden Damen übertrafen mit ihrer Eleganz alles, was Molly bisher erlebt hatte. Ihre glitzernden Juwelen halten sicher einen ganzen Trupp von Sicherheitskräften in Atem, dachte sie, und ihr Selbstbewusstsein litt ein wenig beim Anblick des zur Schau gestellten Reichtums.
Alle Augen waren auf die königliche Familie gerichtet. Molly fühlte sich beklommen, obschon sie
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