Geheimnisvoll wie der Orient
wusste, dass die Aufmerksamkeit nicht ihr, sondern den Prinzen mit ihren Gemahlinnen und insbesondere natürlich Beatrice galt.
Als sie hörte, wie Beatrice ihrem Mann zuflüsterte: „Interessant, was du unter einer Einladung für ein paar enge Freunde verstehst“, gelang es ihr, sich ein wenig zu entspannen. Es war beruhigend, dass selbst die äußerst selbstsichere und elegante Prinzessin ihre Probleme mit diesem großen Auftritt hatte.
Tariq flüsterte seiner Gattin ebenso leise zu, das Ganze sei ein wenig außer Kontrolle geraten.
„Ein wenig …?“, murmelte Beatrice, unverändert lächelnd.
„Im Anschluss feiern wir dann im kleinen Kreis.“
„UnserSohn hat im Anschluss vielleicht andere Pläne“, gab Beatrice zurück, bevor sie sich an Molly wandte. „Ich muss jetzt leider die Gastgeberin spielen, aber Jean Paul wird heute Abend dein Tischherr sein und sich um dich kümmern, nicht wahr?“
Ein junger Mann, den Molly bisher nicht bemerkt hatte, trat mit einem Lächeln und einer kleinen Verbeugung auf sie zu. „Es ist mir eine Ehre.“
Beatrice entfernte sich zusammen mit den übrigen Familienmitgliedern, und Molly blieb mit dem Franzosen zurück.
„Sie sind Engländerin?“
Molly nickte.
„Eine echte englische Rose. Möchten Sie tanzen?“
„Eigentlich nicht.“ Sie suchte den Saal nach einem bestimmten Gesicht ab. „Aber wenn Sie tanzen wollen, habe ich selbstverständlich nichts dagegen.“
Ihr Begleiter betrachtete sie amüsiert. „Das heißt wohl, Sie möchten zwar gern tanzen, aber nicht mit mir.“
Sie warf ihm einen zerknirschten Blick zu. „Entschuldigung, das war nicht sehr höflich von mir. Ich bin nicht besonders gut in diesen Dingen.“
„Keine Sorge, meine Manieren sind dafür tadellos. Ich bin Diplomat, mein Vater war Diplomat und mein Großvater ebenfalls. Ich beherrsche die Etikette perfekt.“
„Bescheiden sind Sie also auch.“
Er gab einen leisen Seufzer von sich. „Tut mir leid, aber Bescheidenheit hat in meiner Familie immer eine sehr untergeordnete Rolle gespielt.“
Molly lächelte und streckte ihm die Hand entgegen. „Fangen wir noch mal von vorne an? Ich bin Molly.“
„Sehr erfreut, Molly, ich bin Jean Paul.“ Statt ihr die Hand zu schütteln, verbeugte er sich tief und berührte ihren Handrücken flüchtig mit den Lippen. Als er sich wieder aufrichtete, ließ er ihre Hand nicht sofort los.
„Sie machen das sehr gut“, sagte sie. Er sah ihr tief in die Augen und schienzuglauben, sie mit seinen Manieren beeindrucken zu können. Sie wollte nicht hartherzig erscheinen und bemühte sich, auf seinen Plauderton einzugehen. Es fiel ihr nicht leicht. Der Mann hatte den Tiefgang eines Suppenlöffels. Und sie machte sich nun mal nichts aus diesen aalglatten Gesellschaftstypen.
Sie wusste inzwischen, dass sie sich nur aus einem einzigen Mann etwas machte. Einem Mann mit tiefblauen Augen, einer äußerst komplizierten Persönlichkeit, einer scharfen Zunge und sinnlichen Lippen.
„Unter meiner eleganten Oberfläche bin ich ein sehr gefährlicher Mann.“
Molly hätte fast laut aufgelacht. Er würde noch nicht einmal einen gefährlichen Mann erkennen, wenn er vor einem stünde.
„Aber keine Angst. Heute Abend halte ich mich strikt an die Anweisungen der Prinzessin. Ich habe den Eindruck, Sie suchen jemanden.“
Sie bestritt es nicht. „Es gibt jemanden im Saal, den ich sprechen muss.“
„Und dieser Jemand ist männlich, wie bedauerlich“, murmelte er und seufzte, als sie nicht widersprach. „Vielleicht kann ich Ihnen bei der Suche helfen. Ich kenne jeden der Anwesenden.“
Molly schüttelte den Kopf. „Es ist nicht so wichtig“, log sie.
„Vielleicht gestatten Sie mir, Sie zu unterhalten, bis Sie den Betreffenden gefunden haben?“
„Warum nicht.“ Sie legte die Hand auf den ihr dargebotenen Arm und protestierte nicht, als Jean Paul daraufhin ihre Taille umfasste.
„Und wie wollen Sie mich unterhalten, Jean Paul?“ Sie schob seine Hand, die zu tief geglitten war, wieder nach oben und sagte fest: „So jedenfalls nicht.“
Er nahm es gelassen. „Oh, ich bin hier nicht nur mit jedem bekannt, ich kenne auch die intimsten Geheimnisse aller Gäste.“
Meines hoffentlich nicht, dachte Molly und fragte sich, wie sie den Abend überstehen sollte.
„Ich könnte Ihnen Geschichten erzählen …“
„Sie haben eine böse Zunge.“
Es schien ihm nichts auszumachen, dass sie die Dinge beim Namen nannte, denn er fuhr ungerührt fort: „Wenn
Weitere Kostenlose Bücher