Geheimnisvoll wie der Orient
gesagt.“
Sie warf der Freundin einen erstaunten Blick zu.
„Ich denke, du und Tair, ihr wäret ein tolles Paar.“ Als sie sah, wie Molly nach Luft schnappte, fuhr die zukünftige Königin von Zarhat mit einem schelmischen Grinsen fort: „Zwischen euch hat es doch von Anfang an geknistert.“
„Aber ich … ich finde ihn nicht einmal sympathisch.“
Ich finde ihn vielleicht nicht sympathisch, aber ich liebe ihn, und ich fühle mich leer und einsam, wenn er nicht bei mir ist. Es gab Momente, da schämte sie sich für ihre Schwäche. Seit sie wieder in England war, konnte sie sich an nichts mehr erfreuen. Über Nacht war sie zu einer dieser sauertöpfischen Frauen geworden, die sie immer so sehr verachtet hatte.
„Selbst heute gibt es noch Tage, an denen ich Tariq nicht leiden kann“, gestand ihr Beatrice. „Trotzdem bin ich verrückt nach ihm.“
„Das ist etwas ganz anderes.“ Weil Tariq seine Frau liebt. Molly fühlte Neid in sich aufsteigen und versuchte, dieses Gefühl im Keim zu ersticken. Wenn es jemand verdiente, glücklich zu sein, dann war es Beatrice.
„Stimmt“, gab die Freundin ihr recht. „Und du hast vermutlich gut daran getan, Tair zu verlassen. Aber das weißt du sicher schon.“
Molly murmelte ein unverfängliches „ja sicher“.
Sie wurde gelegentlich durchaus von Zweifeln befallen. Besonders wenn sie nachts wach lag und an die Konsequenzen ihres kurzen Abenteuers dachte.
Wie gern hätte sie sich Beatrice anvertraut. Doch sie fürchtete, dass Tariq auf diesem Weg von der Neuigkeit erfahren würde. Molly wusste zwar, dass die Freundin ihr Geheimnis nicht absichtlich verraten würde. Aber sie hatte auch bemerkt, dass Tariq in seiner Frau las wie in einem offenen Buch.
Und bevor Molly ihren Halbbruder einweihen wollte, sollten es ein anderer erfahren. Jemand, der ihre Gedanken nahezu Tag und Nacht beschäftigte.
Beatrice nickte. „Du bist gerade noch einmal davongekommen.“
Molly runzelte die Stirn. Hat man mir etwas verheimlicht? Keine Frau, die einen Heiratsantrag von Tair Al Sharif abgelehnt hatte, würde von sich behaupten, gerade noch einmal davongekommen zu sein.
„Was meinst du damit?“
„Ich weiß, es klingt hart, aber man muss schließlich vernünftig bleiben, auch wenn man bis über beide Ohren verliebt ist.“ Molly hielt den Atem an, doch Beatrice fuhr fort: „Was du natürlich nicht bist. Worauf ich eigentlich hinauswollte …“
Sie zupfte sich ein Blatt aus den Haaren, das von einem der herbstlichen Bäume herabgesegelt war. Molly konnte ihre Ungeduld kaum noch zügeln.
„Wo war ich stehen geblieben?“, fragte Beatrice, nachdem sie ihr Haar wieder in Ordnung gebracht hatte. „Ach ja, selbst wenn man verrückt vor Liebe wäre, sollte man es sich gut überlegen, bevor man sich eine solch schwere Bürde aufhalst.“
Molly bezähmte ihre Aufregung nur mit Mühe. Konnte man sich noch rätselhafter auszudrücken als Beatrice? „Wovon um Himmels willen redest du, Bea?“
„Nun ja, nach allem, was geschehen ist, wird es für Tair nun sehr riskant.“
„Wie bitte?“ Eine schlimme Vorahnung ließ Molly frösteln.
„Du hast also noch nichts davon gehört?“ Mit unschuldiger Miene betrachtete Beatrice das bleiche Gesicht der Freundin.
Molly warf ihr einen verzweifelten Blick zu. „Wovon soll ich gehört haben?“ Am liebsten hätte sie Beatrice geschüttelt, auch wenn sie es dazu mit dem Bodyguard hätte aufnehmen müssen.
„Kurz nach deiner Abreise erlitt Tairs Vater eine Gehirnblutung. Es steht sehr schlecht um ihn. Er liegt im Wachkoma, und niemand weiß, wie lange dieser Zustand anhalten wird.“
„Was bedeutet das für Tair?“
„Nun, er führt die Regierungsgeschäfte, auch wenn er noch nicht offiziell die Thronfolge angetreten hat.“
„Und du glaubst, dass er sich in Gefahr befindet?“
Beatrice nickte. „Er hat nicht lange gezögert, sondern sofort ein Reformprogramm auf die Beine gestellt. Viele, die unter der Herrschaft seines Vaters unverdient Privilegien genossen haben, sind davon nicht gerade begeistert. Sie setzen Gerüchte in die Welt und wollen erreichen, dass ein anderer als Tair die Regierungsverantwortung übernimmt.“
„Aber es gibt keinen Besseren!“, entfuhr es Molly. Es klang fast wie ein Schrei.
Beatrice machte eine beschwichtigende Handbewegung in Richtung des Bodyguards, der instinktiv ein paar Schritte näher gekommen war.
Molly atmete tief durch und dämpfte ihre Stimme. „Sie können ihn doch nicht so
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