Geheimnisvoll wie der Orient
man als Diplomat nicht ins Fettnäpfchen treten will, ist es nützlich zu wissen, wer mit wem ins Bett geht. Die Dame da drüben zum Beispiel.“ Er deutete auf eine dunkelhaarige Schönheit, deren schlichtes, aber perfekt geschnittenes Kleid üppige Kurven enthüllte. „Es ist offiziell noch nicht bekannt. Sie wird in Kürze einen sehr bedeutenden Mann heiraten. Einen der wichtigsten Männer der Region.“
„Wirklich?“ Molly bemühte sich, Interesse zu heucheln.
Was mache ich nur, wenn Tair nicht kommt? Was mache ich vor allem, wenn er kommt?
Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie es mit ihnen weitergehen sollte. Egal, wie sie sich die Begegnung mit Tair vorstellte, sie verlief immer anders als gedacht. Sie musste es wohl oder übel auf sich zukommen lassen.
„Und mit der künftigen Frau von Tair Al Sharif sollte man sich besser gut stellen.“
Abrupt wurde Molly aus ihren Gedanken gerissen. Leichter Schwindel überkam sie, als sie begriff, was er gerade gesagt hatte. „Wie bitte?“
„Ich sagte, sie …“
„Sie ist die Verlobte von Tair?“, fiel Molly ihm ins Wort. Sie blickte hinüber zu der Frau, die der glanzvolle Mittelpunkt einer Gruppe von Männern war, die alle an ihren Lippen hingen.
Was ihr beim ersten Hinsehen nicht aufgefallen war, bemerkte sie nun beim zweiten Hinschauen: Die Frau hatte einen harten Zug um den Mund.
Die umstehenden Männer schien das nicht zu stören, und Molly wusste, dass sie bewusst nach Fehlern bei der anderen suchte, deren äußeres Erscheinungsbild nahezu perfekt war.
„Nicht offiziell, aber meinen Informationen zufolge ist es nur noch eine Frage der Zeit. Kennen Sie den Kronprinzen persönlich?“
Sie hob nur gleichmütig die Schultern. „Wir sind uns einmal begegnet.“
„Nicht gerade ein einfacher Mann, was meinen Sie?“
Obwohl sie Tair weitaus Schlimmeres an den Kopf geworfen hatte, reagierte Molly äußerst empfindlich auf die Kritik Dritter. „Ich finde, er kommt seiner Verantwortung sehr gewissenhaft nach.“
„Ja, sicher. Und er hat einige Leute ganz schön aus der Fassung gebracht.“
Unter anderem mich.
„Guten Abend, Molly.“
Sie fuhr herum.
„Tair …“ Niemand hätte sie auf den Sturm von Empfindungen vorbereiten können, den seine Stimme in ihr auslöste.
Ihr wurde heiß und kalt zugleich, und ihre Beine begannen zu zittern. Wie ihre Halbbrüder war auch Tair traditionell gekleidet und sah einfach umwerfend aus. Groß, schlank und gefährlich. Molly konnte den Blick nicht abwenden. Alles an ihm schien einfach perfekt.
Die Selbstsicherheit des Franzosen hatte einen kurzen Dämpfer erlitten, als er sich so plötzlich dem Mann, über den er gerade klatschen und tratschen wollte, gegenübersah. Er fasste sich jedoch schnell wieder und hielt Tair mit einem strahlenden Lächeln die Hand hin. „Guten Abend, Prinz Tair.“
Tair reagierte durch und durch aristokratisch oder, wie Molly insgeheim fand, grob unhöflich. Er wandte sich einfach ab und überging die freundlich ausgestreckte Hand des anderen Mannes.
Molly blickte in azurblaue Augen, die sie nicht mehr losließen.
Tair ließ den Blick so lange auf ihr ruhen, bis einige Gäste neugierig zu ihnen herüberschauten.
„Das ist Jean Paul.“
Tair deutete eine Verbeugung an.
„Ich weiß, wer er ist. Wenn du mich eifersüchtig machen wolltest, hättest du dir besser einen anderen Kandidaten ausgesucht.“
„Ich habe nicht versucht, dich eifersüchtig zu machen. Mein Gott, du bist so arrogant!“
Und ich will dich gar nicht anders haben!
„Es dreht sich nicht immer alles nur um dich. Ich denke, du schuldest dem armen Jean Paul eine Entschuldigung“, sagte sie energisch.
„Nein, nein, überhaupt nicht“, stammelte Jean Paul. „Wenn ich gewusst hätte, dass Sie beide …“
Zu Mollys Entsetzen wies Tair die Anspielung nicht von sich, sondern erwiderte nur: „Nun wissen Sie es.“
Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. „Es gibt nichts zu wissen.“
„Sei doch nicht so schüchtern, ma belle . Es ist schließlich offensichtlich.“
Sie ignorierte ihn und wandte sich an Jean Paul, der sichtlich darum bemüht war, Haltung zu bewahren. Auch wenn sie keine freundlichen Gefühle für Tairs Zukünftige hegte, so verdiente die Frau doch ein Mindestmaß an Respekt. Tair gab sich nicht die geringste Mühe, diskret zu sein. Molly war sich der Tatsache bewusst, dass die Umherstehenden verstummt waren und der Auseinandersetzung neugierig lauschten.
„Prinz Tair
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