Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)
mit diesen beiden hilfsbereiten, gelehrten Herren ganz ruhig die erforderliche Prozedur hinter uns bringen«, fuhr sie fort und schenkte zunächst Mr Binge und dann Mr Gently ein zuckersüßes Lächeln. »Und danach können wir beide vielleicht zusammen auf eine große Reise gehen.«
»Können wir vielleicht den Ort besuchen, wo mein richtiger Papa gelebt hat?«, fragte Charlotte weinerlich.
»Vielleicht, wir werden sehen«, antwortete ihre Mutter. »Alles zu seiner Zeit.«
»Wie schnell können wir das Geld bekommen?«, fragte George Unwin, wofür er von seiner Frau einen vorwurfsvollen Blick erntete. »Unsere Tochter ist sehr empfindsam«, beeilte er sich hinzuzufügen, »und es wäre wünschenswert, wenn die Dinge so schnell wie möglich wieder zur Normalität zurückkehren. Sie sollte nicht zu viele Störungen ihres gewohnten Alltags erdulden müssen.«
»Selbstverständlich«, sagte Mr Gently, »aber Sie werden verstehen, dass angesichts der beträchtlichen Summe, um die es hier geht, gewisse Formalitäten unumgänglich sind.«
»Charlotte ist so ein zartes Geschöpf«, warf Mrs Unwin ein, »deshalb müssen wir darauf bestehen, dass in dieser Angelegenheit so wenig wir nur irgend möglich an die Öffentlichkeit dringt. Je weniger Leute davon wissen, umso besser. Und was die Zeitungen angeht, und dass sie womöglich unsere Identität herausfinden könnten – also, Gott bewahre!«
»Ganz recht«, stimmte George Unwin ein. »Die Vorstellung, dass unsere Kunden, Kollegen und Nachbarn alles herausfinden könnten, ist einfach entsetzlich.«
»Wir werden unser Möglichstes tun, um dies zu verhindern«, versicherte Mr Binge.
»Allerdings spricht die ganze Stadt über den Fall«, warf Mr Gently ein. »Angesichts
solch
eines ungewöhnlichen und aufregenden Vorfalls und der enormen Geldsumme, um die es geht.«
Mr Unwin konnte sich gerade noch beherrschen, sich nicht die Lippen zu lecken. »Was geschieht nun als Nächstes?«
Mr Gently richtete den Blick auf die Papiere auf seinem Schreibtisch und schob sie ein wenig hin und her. »Sie sagen, Sie haben die Adoptionsurkunde für Ihre Tochter zu Hause?«
»Oh, selbstverständlich! Selbstverständlich!«, rief Mr Unwin aus.
»Wir haben sie nur nicht gleich herausgesucht«, fiel seine Frau ein. »Als der Cousin meines Bruders uns auf die Anzeige hinwies – das war erst gestern Abend –, haben wir beschlossen, gleich heute Morgen als Erstes hierherzukommen.«
Dies entsprach – wie die meisten Dinge, bei denen die Unwins ihre Finger im Spiel hatten – nicht ganz der Wahrheit. Zwar war Sylvester Unwin tatsächlich am Vorabend kurz vorbeigekommen, allerdings mit neuen Nachrichten aus seinen geheimen Kanälen, wonach noch eine weitere Fraktion in diesem Augenblick dabei sei, eine junge Dame auf ihre Rolle zu trimmen, um in der Sache vorstellig zu werden und das Erbe zu kassieren. Vor diesem Hintergrund hatten die Unwins beschlossen, nicht erst die gefälschte Adoptionsurkunde aus Sylvester Unwins korruptenQuellen abzuwarten, sondern sofort bei Binge und Gently vorzusprechen, um der anderen Partei zuvorzukommen.
»Wir selbst haben den
Mercury
nicht abonniert«, erklärte George Unwin. »Wenn Mr Sylvester Unwin uns die Annonce nicht vorgelesen hätte, hätten wir es womöglich nie erfahren.«
Mr Gently richtete die Augen auf Charlotte, die unter seinem prüfenden Blick zu zittern anfing und erneut in Tränen ausbrach. Dies geschah zum einen als Strategie, um von der Befragung abzulenken, zum anderen in Nachahmung von Lilys häufigen Weinanfällen, nicht zuletzt aber auch, da sie selbst fürchterliche Angst hatte, etwas Falsches zu sagen und dadurch ihre Kutsche samt eigenem Kutscher zu verspielen.
Nachdem sie an der Riechflasche geschnuppert, sich mit dem Spitzentaschentuch behutsam die Nase abgetupft und sich wieder halbwegs erholt hatte, fragte Mr Gently sie: »Wären Sie so nett, mir noch einmal von Ihren frühesten Kindheitserinnerungen zu erzählen, Miss Charlotte? Wir werden jemanden hereinbitten, der Ihre Aussage mitschreiben wird.«
Charlotte schien darüber ein wenig erschrocken, versprach jedoch, ihr Möglichstes zu tun, und so erschien ein Angestellter mit einem eigenen Hocker und einem Stoß Notizpapier. Er setzte sich in respektvollem Abstand von den ausladenden Schreibtischen der Anwaltspartner, während die neue Lily Parkes tief seufzte und den Blick in die Ferne richtete.
»Es ist nur so, dass ich mich leider
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