Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)
denn das?«
»Und über dich werden sie auch bald sprechen, sobald bekannt wird, dass du die andere noch lebende Erbin von Reginald Parkes bist.«
Grace schaute James verwirrt an. »Was hat das alles mit meinem Vater zu tun?«
»Bevor ich es dir erkläre«, fuhr James fort, »würde es dir etwas ausmachen, mir zu erzählen, wie es zudeiner Anstellung bei den Unwins kam? Weil ich nun nämlich nichts anderes mehr vermuten kann, als dass
sie
hinter Lilys Verschwinden stecken.«
Grace sah ihn bestürzt an. »Es war an dem Tag in Brookwood, als wir uns begegneten. Mrs Unwin sah mich auf dem Bahnsteig stehen und fragte mich, ob ich als Sargbegleiterin für sie arbeiten wolle.«
»Und was hast du zu ihr gesagt? Entschuldige, dass ich so pingelig bin, aber das gehört zu meiner Ausbildung. Ich brauche die Fakten und muss sicher sein, dass sie stimmen.«
Es hatte eben angefangen zu schneien. Dicke Flocken fielen sanft auf sie nieder, und Grace wischte sich die glitzernden Kristalle von ihrer Samtjacke, während sie sprach. »Nun, ich bedankte mich bei ihr und sagte ihr, ich hätte kein Interesse. Als sich dann unsere Umstände verschlechterten und Lily und ich auf der Straße landeten, sah ich keine andere Möglichkeit mehr, als mich an sie zu wenden. Ich fragte Mrs Unwin, ob sie uns beide anstellen würde, doch sie sagte, das könne sie nicht, und wir waren eigentlich schon am Gehen, als Mr Unwin ins Zimmer kam und sagte, sie würden mich als Sargbegleiterin einstellen und Lily aus Wohltätigkeit eine Stellung in ihrem Haushalt anbieten.«
»Oh, aber natürlich! Und ich wette, zu diesem Zeitpunkt kannte er bereits eure Namen.«
»Ich glaube, ich hatte sie erwähnt. Aber was hat das jetzt mit allem anderen zu tun? Warum hastdu nach meinem Vater gefragt? Was hat er denn getan?«
»Was er getan hat?« James machte mehrmals den Mund auf und wieder zu und musste plötzlich aufstehen, um seiner Gefühle Herr zu werden. »Was er getan hat?!«, fragte er noch einmal. »Er ist in Übersee gestorben und hat euch sein komplettes Vermögen hinterlassen, das hat er getan! Du und deine Schwester, ihr seid vermutlich die reichsten jungen Damen in ganz London!«
Eine endlos lange Weile konnte Grace weder sprechen noch irgendein Glied rühren. Sie stand so reglos da, dass der Schnee sich auf der Krempe ihres schwarzen Huts niederließ und ihn mit einem Hermelinpelz umrandete.
Schließlich sagte sie: »Du machst dich wohl lustig über mich, und das ist nicht nett von dir.«
»Nein, ganz und gar nicht. Ich verspreche es hoch und heilig«, sagte James tiefernst und setzte sich wieder.
»Ein Vermögen?«, fragte Grace. »Ein Vermögen, sagst du?«
»Ganz genau. Ein königliches Vermögen, habe ich sagen hören.«
»Und bist du ganz sicher, dass es meine Schwester Lily Parkes ist, die gesucht wird?«, fragte Grace. Ihr war ganz schwindlig geworden.
»Absolut sicher. Das Erbe ist für deine Mutter und Lily bestimmt, doch da dein Vater nichts von deinerExistenz wusste und deine Mutter tot ist, bist auch du eine direkte Erbin.« Er brach in schallendes Gelächter aus. »Wir haben uns in der Kanzlei oft genug die Zeitungsannonce angesehen und endlos darüber spekuliert, wo das Mädchen und ihre Mutter geblieben sein könnten, so dass ich die Einzelheiten in- und auswendig kenne.«
»Dann wissen also die Unwins das alles auch«, sagte Grace.
»Ich denke schon.«
»Und Lily ist
nicht
mit einem jungen Mann durchgebrannt.«
»Bestimmt nicht. Die Unwins halten sie vermutlich irgendwo versteckt und trimmen sie für ihre Zwecke.«
»Oh, Lily!«, brach es aus Grace heraus.
James überlegte zwei volle Minuten lang schweigend, während der Schnee auf sie herabfiel. Bevor er weitersprach, nahm er Graces Hand in die seine. »Ich werde Rat einholen, was zu tun ist«, sagte er. »Aber in der Zwischenzeit bleibst du bei den Unwins, beobachtest genau, was alles vor sich geht, und verhältst dich ganz still und stumm.«
»Das Letztere dürfte mir nicht schwerfallen«, sagte Grace trocken.
»Aber bitte sei vorsichtig. Die Unwins zusammengenommen sind eine sehr mächtige Familie. Der Cousin … «
»Sylvester Unwin?«
»Ja, genau. Er ist äußerst reich, gnadenlos ehrgeizigund ohne Zweifel ein Gauner – aber es heißt, er soll Bürgermeister von London werden. Wenn man sich mit ihm anlegt, hat man einen mächtigen Gegner.«
»Glaubst du, er hat auch damit zu tun?«
»Ganz sicher. Die Unwins machen alles zusammen.«
»Aber
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