Geheimprojekt Styx
kurz, sehr kurz sogar. Sanchez hätte mit einer längeren Bedenkzeit seitens Hendricks gerechnet, doch dieser antwortete nahezu auf der Stelle. „Ist es was Ernstes? Soll ich mitkommen?“
Sanchez lächelte, überglücklich, dass Hendricks zuerst an sie und erst dann an die Firma, sein Erbe und gewissermaßen lebendige Erinnerung an Frank Howell dachte. Sie fühlte, wie in ihr eine Wärme aufstieg und mit einem Lächeln auf den Lippen, blieb sie stehen, mitten im kahlen Arbeitszimmer. „Nein, du brauchst nicht mitkommen... das muss ich alleine machen.“
„Nad...“
„Es geht um meine Eltern, Mike. Der Tod Franks...“ Sie stockte, bemüht, die gerade oberflächlich verheilte Wunde Hendricks' nicht wieder aufzureißen. „Ich will einfach wieder mit ihnen sprechen“, schloss sie schlicht.
„Hast du ein Team, das dich begleitet?“, ging Hendricks gleich weiter zum nächsten Thema, nämlich dem Personenschutz.
„Nur die noch hier befindlichen Männer“, antwortete sie. „Aber ich habe hier noch eine Gulfstream.“
„Hmm. Ok, ich tätige einige Anrufe, in Nassau erwartet dich ein vollständiges Team.“
„Mike...“ Sanchez wusste, was Hendricks mit einem vollständigen Team meinte. Ein Dutzend Männer und Frauen, alle unterschiedlich schwer bewaffnet, dazu vier gepanzerte Fahrzeuge und, je nach Region, ein Ersatzfahrzeug mit einem kleinen Verstärkungsteam. Sanchez erinnerte sich noch an die Geschichte Howells, wie er in Bagdad unterwegs gewesen war. Sechs gepanzerte Geländewagen, ein kleiner Helikopter über ihnen und zwei Ersatzfahrzeuge etwa einen Kilometer hinter ihnen. Damals hatten sie sogar einen Raketenwerfer im Kofferraum gehabt.
„Ich denke, dass es nicht notwendig ist, so einen Aufwand zu betreiben“, beendete sie den Satz.
„Keine Widerworte. Ich habe einen Leiter für das Team und er wird dich immer begleiten. Und Nad, bitte diskutiere nicht mit mir.“
„Wer ist der Teamleiter?“
„Lane.“
„Ah, dieser mürrische Brite mit dem schwarzen Humor?“
„Ja, er war einige Male in Kapstadt.“
„Na wenn du es für notwendig erachtest, wird es wohl seine Berechtigung haben“, erwiderte Sanchez bloß und beließ die Sache dann auf sich beruhen. Sie wusste, dass Hendricks nur ihr Bestes wollte, und auch, welchen Stellenwert sie nun in seinem Leben einnahm. Sie war die einzige Rest-Familie, die Hendricks geblieben war.
In diesem Moment ging ihr auf, dass dieser Umstand noch mehr Grund für sie war, mit ihren Eltern ein klärendes Gespräch zu führen.
Wenn wir heiraten, soll Mike jedenfalls eine Familie haben, dachte Sanchez, eine richtige Familie, nicht nur mich.
„Ja... Nad, die hat es.“ Er schwieg kurz. „Trägst du immer noch eine Waffe bei dir?“
Sanchez lächelte dünn. Seitdem sie auf der Autobahn knapp dem Tode entgangen war, trug sie immer eine kompakte SIG-Sauer-Pistole bei sich, aufgrund ihres Rockes und der figurbetonten Bluse, in einem Holster, der um ihren Oberschenkel geschnallt war.
„Selbstverständlich.“
„Gut. Ich muss wieder, wir sprechen uns morgen. Wann kann man dich erreichen?“
„Ich melde mich, wenn ich gelandet bin, ansonsten erreichst du mich im Flugzeug.“
„Dann bis morgen, Nad.“ Hendricks legte auf und Sanchez sah mit einer bedeutend zufriedeneren Miene aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit. Sie begann darüber nachzudenken, ob sie ihren Eltern etwas schenken sollte, nahm davon dann jedoch wieder Abstand. Nach rund acht Jahren Pause wusste sie nicht mehr, was ihre Eltern mochten oder nicht, und außerdem wollte sie vermeiden, dass ihr vorgeworfen wurde, durch Geschenke die Gunst ihrer Eltern wieder zurück zu erlangen.
Danke, Frank, dachte Sanchez mit einem bitteren Unterton, dass du mir den Wert der Familie aufgezeigt hast. Und dass man, egal wie zerstritten man ist, wieder zusammen kommen muss.
Sanchez wischte sich den Anfang einer Träne aus den Augen. Howell fehlte ihr ebenfalls, selbst wenn sie dies bisher unterdrückt hatte, schlicht, um Hendricks nicht noch mehr zu belasten. Doch nun, im leeren Arbeitszimmer, unterdrückte sie diese Gefühle nicht mehr.
Mit feuchten Augen ließ Sanchez sich im Sessel nieder und vergrub das Gesicht in den Händen. Erst nach einer geschätzten halben Stunde machte sie sich auf, um in die Wohnung von Hendricks und ihr zu gehen. Sie stellte ein Paar Reisekoffer neben die Eingangstür und plumpste dann müde auf das Bett, wo sie, noch fast vollständig bekleidet, auf der Stelle
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