Geheimprojekt Styx
einschlief.
„Ah, das Außenministerium“, brummte Hendricks mit einem Blick aus dem Seitenfenster der S-Klasse. „Brauer, Sie waren hier schon. Muss ich etwas über das Gebäude wissen?“
Der Deutsche überlegte kurz, dann verneinte er. „Nein, es gibt nichts Nennenswertes.“
„Gut. Nehmen Sie den Nebeneingang, ich will nervige Reporter meiden.“ Hendricks sah zu Boratto hinüber, der ihm einen seiner typisch skeptischen Blicke zuwarf. Denn während alle in der Kolonne Hendricks so behandelten, wie es sich für einen Firmenchef gebührte, agierte Boratto fast, als befände er sich mit ihm auf Augenhöhe. Aber auch nur fast.
„Dir geht was durch den Kopf, Art.“ Hendricks sah den Brasilianer an und zog eine Braue hoch. Mehr brauchte er nicht sagen, Boratto würde antworten, wenn es der Rede wirklich wert wäre. Schwieg er, so spielte das Geschehen keine Rolle.
„Vergiss es, war nur in Gedanken“, erwiderte Boratto nach kurzem Zögern.
„In Ordnung.“
Hendricks zog ein letztes Mal seine Walther, prüfte die Pistole auf ihre Einsatzbereitschaft und ob die Kammer geladen war. Dann steckte er die Pistole zurück in den Holster am Gürtel, der durch das Jackett verborgen wurde.
Ich bin vermutlich der einzige Firmenchef, der eine Waffe mit zu einem Meeting nimmt, dachte Hendricks mit einem dünnen Grinsen, und der auch in der Lage ist, damit umzugehen.
„Die Umgebung absichern!“, befahl Brauer über Funk den restlichen Personenschützern, als die Mercedes' vor dem Nebeneingang zum Stehen gekommen waren. Boratto stieg mit als erster aus, die Maschinenpistole nun deutlich sichtbar vor dem Körper und feuerbereit. Er schien den Sicherheitsmaßnahmen der Briten offenbar nicht zu trauen.
Einer der Personenschützer öffnete Hendricks die Tür, dieser stieg aus und rauschte ohne Zwischenstopp oder Kommentar ins Gebäude, wobei er die britischen Sicherheitskräfte hinter sich ließ. Brauer hatte dabei Mühe, vor seinem Chef zu bleiben und ihn abzuschirmen. Boratto hingegen war schräg hinter Hendricks und schien mit dem Tempo seines Chefs problemlos mithalten zu können.
Unmittelbar vor den Aufzügen trafen sie auf Bernard Thorne, der auf sein Blackberry starrte und die Neuankömmlinge erst gar nicht bemerkte.
„Ah, Sie müssen Michael Hendricks sein“, meinte der Adelige dann, ließ das Blackberry in der Innentasche seines Jacketts verschwinden und streckte Hendricks die Hand entgegen.
„Und Sie Sir Bernard Thorne“, erwiderte Hendricks, und die beiden tauschten einen kräftigen Händedruck aus, das erste Abtasten.
„Ganz recht, Mister Hendricks. Ihr Vater hat Ihnen von mir erzählt, nehme ich an?“
Nicht ganz, dachte Hendricks, es war sein Adjutant, Hudson. Aber ich weiß genug.
„Ich bin im Bilde.“
„Ausgezeichnet. Bitte folgen Sie mir in mein Büro, dort können wir ungestört reden.“ Thorne bedeutete mit einer Geste, den Aufzug zu besteigen. Boratto, Brauer und fünf weitere Personenschützer folgten Hendricks, wobei Boratto die Maschinenpistole wieder unter seinem Sommermantel verborgen hatte, die rechte Hand war allerdings vielsagend nah am Gürtel.
„Sie habe ich aber schon mit Mister Howell gesehen“, sagte Thorne, als sich der Lift in Bewegung setzte, an Brauer gewandt.
Brauer nickte und warf Hendricks einen kurzen, fragenden Blick zu. Er wusste nicht, ob er sich dazu näher äußern durfte, handelte es sich doch um Firmeninterna.
„Tobias Brauer ist Chef der Europa-Abteilung“, erklärte Hendricks dann mit einem kaum merklichen Nicken an Brauer gewandt.
„Ah, das erklärt es natürlich.“
Der Lift kam zum Stehen, die Türen öffneten sich und Hendricks sah, wie Boratto seine Beretta im Gürtelholster entsicherte. Denn die Maschinenpistole zu heben, dauerte schlicht zu lange. Die Lifttüren öffneten sich, und die Anspannung war förmlich zu spüren.
Zwei junge Frauen in Kostümen sahen von ihren Tablet-PCs auf und Hendricks gestattete sich ein dünnes Lächeln.
„Oh, pardon“, sagte die eine, als sie das kurze Sturmgewehr eines der Personenschützer registrierte. Die Gruppe um Thorne und Hendricks verließ den Lift und sie eilten den Korridor hinunter, vorbei an Putzkräften und Mitarbeitern, die Feierabend machten. Als sie an einem Putzwagen vorbeikamen, spähte Boratto misstrauisch der Putzfrau, einer Inderin, nach, die gerade in eines der Büros ging.
Sie kamen noch etwa fünf Meter weiter. Dann ertönte ein Scheppern und ein lauter Knall folgte.
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